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Interview mit Michael Zahedi

Zuletzt aktualisiert am 4. Oktober 2022 von vik_admin

(Bio)
Michael Zahedi
Schriftzug in Schreibschrift "Just Relax"
Wir finden heute heraus, wie wir destruktiven Beziehungsdynamiken in der Partnerschaft vorbeugen können. Dazu haben wir Michael Zahedi im Interview.
Michael Zahedi

Einstieg

Hallo Herr Zahedi, vielen Dank, dass Sie sich Zeit genommen haben, um uns als Experte zum Thema Partnerschaft ein paar Fragen zu beantworten. Sie sind selbstständig und bieten Online-Paartherapie an. Bei Ihnen dreht sich also alles um die Beziehungsqualität, die so wichtig für unser Wohlbefinden ist.

Der Mensch ist nämlich seit Anbeginn seiner Existenz ein soziales Wesen. Was macht denn eine funktionierende Beziehung mit einer anderen Person aus und was sind die Folgen einer dysfunktionalen Beziehung?

In einem gelungenen Miteinander fühlt es sich gut und richtig an, mit ihm*ihr zusammenzuleben. Ihr habt beide Sicherheit, in dieser Beziehung ihr selbst sein zu können. Ihr lasst einander gerne daran teilhaben, was euch bewegt. Jede*r übernimmt die Verantwortung für das eigene Wohlergehen. Ihr steht ohne Schuldzuweisungen für die eigenen Gefühle und Bedürfnisse ein. Und ihr bewahrt euch auch im Streit eine Basis von gegenseitigem Respekt, Wohlwollen und Empathie. Wenn das Miteinander nicht gelingt, stellt sich mit der Zeit eine emotionale Distanz ein. Manche schreien sich regelmäßig an, andere sticheln, wieder andere verstummen. Unter der zunehmenden Entfremdung, der Verhärtung und der Verbitterung über das nicht gelebte Leben leidet nicht nur die Beziehung. Nach und nach werden auch andere Lebensbereiche wie beispielsweise Gesundheit und beruflicher Erfolg in Mitleidenschaft gezogen. Dysfunktionale Beziehungen, die wir nicht beenden oder bearbeiten, bedeuten verschwendete Lebenszeit.

Meinungsverschiedenheiten gehören zum Menschsein und dem sozialen Leben dazu. Was ist das Besondere an Streitigkeiten innerhalb der Partnerschaft? Warum erlebt man sie so intensiv und kann sie schwerer konstruktiv lösen?

Bei Auseinandersetzungen innerhalb der Partnerschaft geht es um meinen persönlichen Nahraum: meinen Körper, meine Wohnung, meine Integrität, mein tagtägliches Leben. Paar-Konflikte gehen uns – im wahrsten Sinne des Wortes – nah. Dem Partner*der Partnerin gegenüber kann ich mich nicht dauerhaft verstellen. Es bleibt nicht aus, dass wir uns früher oder später auch mit unseren Ecken und Kanten konfrontieren. Wir alle bringen unsere Schmerzpunkte und Eigenarten mit. Sobald das Leben und die Partnerschaft uns herausfordern, fallen wir in unsere individuellen Überlebensstrategien zurück; Strategien, die uns durch die Kindheit geholfen haben, mit denen wir uns aber als Erwachsene selbst im Weg stehen. Im Partnerschaftskonflikt geht es immer auch um die Begegnung mit dem eigenen inneren Kind und dem meines Gegenübers. Wir haben es sozusagen mit zwei streitenden Erwachsenen und zwei aufgewühlten inneren Kindern zu tun. Und dieses Knäuel versucht sich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf zu ziehen. Hilfe von außen ist da oft eine gute Idee.

Beziehung und deren Betreuung in Zeiten von Corona

Sie sind Familien- und Paartherapeut und unterstützen Paare online bei ihren Problemen. Welche Auswirkungen haben das Corona-Virus und alles, was dazu gehört, Ihrer Meinung nach auf Beziehungen?

Die Pandemie hat wie ein Brennglas gewirkt, indem sie einerseits Probleme sichtbar gemacht und andererseits Konflikte angeheizt hat. Wenn man als Paar mehr gemeinsame Zeit zu Hause verbringt, wird es schwieriger, Probleme unter den Teppich zu kehren. Homeoffice, Homeschooling, Existenzängste, Streit um Hygieneregeln – wir alle sind in den letzten Jahren auf die eine oder andere Weise an unsere Grenzen gekommen. Und wenn wir uns mit dem Rücken zur Wand wähnen, geraten wir in Stress und gleiten in destruktive Muster ab. Nichtsdestotrotz habe ich auch Paare erlebt, die die Herausforderungen zum Anlass für eine Neubesinnung genommen haben. Für die, die sich darauf einlassen, kann so ein Ausnahmezustand auch zum Katalysator für positive Veränderungsprozesse werden.

Die Auswirkungen der Pandemie zeigen sich sicherlich auch in der Paartherapie. Wie hat sich Ihre Arbeit in den letzten zwei Jahren verändert und was sind die Herausforderungen bei der Online- Paartherapie?

Die Pandemie hat mich dazu gebracht, jetzt nur noch online zu arbeiten. Das funktioniert für meine Klient*innen super. Sie sind in den Sitzungen am Ort des Geschehens. Dort, wo sowohl die Konflikte stattfinden als auch die Veränderungen zum Guten. Zudem fällt es den meisten leichter, sich in den eigenen vier Wänden zu öffnen. Die Herausforderung an den Videokonferenzen ist, wie bei vielen neuen Technologien, die Schranke im eigenen Kopf. Aber die Umgewöhnung funktioniert schnell, sogar bei älteren Paaren.

Selbstzerstörerische Beziehungen

Auf Ihrer Website sprechen Sie von destruktiven Beziehungsdynamiken. Was kann man sich darunter vorstellen und was ist ein berühmtes bzw. berüchtigtes Beispiel einer destruktiven Beziehungsdynamik?

Wir alle haben in der Kindheit individuelle Strategien entwickelt, Konflikte zu meistern. Wir schreien beispielsweise, hüllen uns in Schweigen, lassen alles über uns ergehen, wir ignorieren die Probleme, wollen es allen recht machen oder werten andere ab, um uns besser zu fühlen. Bedauerlicherweise greifen wir als Erwachsene, meistens unbewusst, auf diese Taktiken zurück. Stellen wir dann fest, dass wir scheitern, nehmen wir keine Kurskorrektur vor, sondern verstärken unser gelerntes Verhalten. Diese Dynamik potenziert sich noch, wenn zwei Menschen sich gegenseitig in ihren Marotten anheizen. Ein Beispiel: Sie lamentiert, dass er seine Freizeit nur noch im Hobbykeller verbringt. Er zieht sich immer mehr zurück, um ihrem Lamento zu entkommen. Beide machen einander für das eigene Verhalten und das eigene Unglück verantwortlich.

Einfluss von außen

Fast jede*r hatte einmal eine Beziehung und fast jede*r ist davon überzeugt, dass die eigene Beziehung ein Paradebeispiel ist. Hat sich der Drang zum Ratschläge geben und als Experten aufspielen in den letzten Jahren verstärkt? Hat Social Media dabei eine Rolle gespielt?

Heute gibt es definitiv mehr Nachfrage nach Beratung, was zunächst einmal eine positive Entwicklung ist. Immer weniger Menschen sind bereit, die Qualität ihrer Partnerschaft als Schicksal hinzunehmen, dem man sich zu fügen hätte. Was die selbsternannten Expert*innen angeht: Leute, insbesondere Männer, die meinen, sie wüssten Bescheid, hat es schon immer gegeben. Das Internet und die sozialen Medien schaffen neue Kanäle für Quacksalber. Aber eben auch für echte Expert*innen, die dir wirklich weiterhelfen wollen.

Im Internet vergleicht man sich nicht nur bezüglich seines Jobs, seines Autos oder seines Hauses mit anderen Menschen. Auch Beziehungen werden schonungslos verglichen mit den Darstellungen anderer Menschen. Wirken sich die sozialen Medien auf unsere Beziehungen aus und sind diese Auswirkungen eher negativ oder positiv?

Wer die Tendenz hat, es mit dem sozialen Vergleich zu übertreiben, sollte Social Media mit Vorsicht genießen. Und haben wir nicht alle diese Tendenz? Natürlich ist es eine Herausforderung für das Selbstwertgefühl und für die Wertschätzung der Partnerschaft, wenn ich mir regelmäßig die heile Glitzerwelt von Instagram und Co reinziehe. Mal abgesehen von der Reizüberflutung, die damit einhergeht, wenn alles darauf ausgerichtet ist, uns zum Liken, Teilen und Kommentieren zu verführen. Ich persönlich habe mich schon lange von allen sozialen Medien abgemeldet und genieße die eingesparte Lebenszeit, am liebsten zusammen mit meiner Frau.

Herausforderungen von Nachwuchs

Seit 2017 sind Sie selbst Vater. Welche zusätzlichen Herausforderungen kommen auf ein Paar zu, wenn sie Eltern werden und welche Möglichkeiten stecken darin?

Kaum etwas schüttelt unsere Identität, unsere Rolle in der Welt und unser Selbstverständnis so durcheinander, wie die existenzielle Erfahrung des Elternwerdens. Nichts konfrontiert uns so sehr mit uns selbst, mit unserer eigenen Kindheit, mit unseren Werten und Zielen im Leben. Aber eben auch mit den Differenzen und Sollbruchstellen in unserer Partnerschaft. Auch das neu gebackene Elternteil an deiner Seite wird sich selbst, dich und die Welt mit neuen Augen sehen. Jetzt ist da ein kleiner Mensch, der nicht nur eure Herzen erobert, sondern auch eure Tage, eure Nächte und eure Lebensenergie beansprucht.

Mit dem Elternwerden ist es ein bisschen, wie mit der Partnerschaft selbst. Alles kommt in Bewegung und das ist gut so. Wenn du dich darauf einlässt, kannst du an deiner neuen Rolle persönlich enorm reifen. Deine Nervenstärke, deine Geduld und dein Humor werden auf alle Fälle trainiert. Und natürlich könnt ihr auch auf der Paar-Ebene weiter zusammenwachsen. Die Konflikte, die es garantiert geben wird, sind immer ein guter Anlass, an sich zu arbeiten.

Tipps

Vielleicht finden sich unter unseren Leser*innen welche, die in einer Beziehung stecken, mit der sie nicht zu 100% zufrieden sind. Haben Sie einen Tipp, wie sie in ihrer Beziehung beispielsweise die Kommunikation verbessern können?

Wenn du die Kommunikation in eurer Beziehung verbessern möchtest, dann konzentriere dich ganz auf deinen eigenen Anteil. Ob du auf dem richtigen Weg bist, merkst du nicht an der Reaktion deines Gegenübers, sondern daran, ob du am Abend gut in den Spiegel schauen kannst. Wie eure Kommunikation verläuft, hängt besonders von euren Gesprächseinstiegen ab. Eskalierende Auseinandersetzungen haben fast immer einen holprigen Anfang. Darum stolpere nicht einfach irgendwie in wichtige Konversationen, sondern halte kurz inne, bevor du den Mund aufmachst. Nimm wahr, wie es dir geht. Mach dir bewusst, was dein Anliegen ist. Diese Vorbereitung dauert wenige Sekunden und schafft die besten Voraussetzungen für einen konstruktiven Austausch. Alles Gute euch beiden!

Vielen Dank

Durch Ihre Expertise haben wir erfahren, was eine destruktive Beziehung ausmacht und wie man am besten vermeiden kann, eine derartige zu führen. Danke für Ihre Zeit und Ihre Antworten.

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