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Keto Diät bei Migräne

Zuletzt aktualisiert am 30. Oktober 2023 von Thilo Keller

(Bio)
Keto-Nahrungsmittel wie Nüsse oder kohlenhydratarmes Brot
Schriftzug in Schreibschrift "Just Relax"
Elena Gross ist heute unser Gast. Sie hat sich Zeit genommen, um uns ein paar Fragen zur Keto Diät und zu deren Wirkung auf Migräne zu beantworten.

Hallo Elena. Schön, dass du dir heute die Zeit genommen hast, um uns ein bisschen was über Migräne und die Keto Diät zu erzählen. In dem Bereich bist du ja ein echter Profi.
Ach naja. Wenn man eine klinische Studie macht und das studiert, dann muss das auch der Fall sein. Aber vor vier Jahren hatte ich auch noch keine Ahnung. Da wusste ich noch nicht mal, dass Proteine in Glucose umgewandelt werden können und wo überhaupt Kohlenhydrate drin sind.

Wie kam es eigentlich dazu, dass du dich für dieses wissenschaftliche Feld entschieden hast? Lag es an deinem eigenen Hintergrund mit Migräne?
Das war tatsächlich ein großer Zufall! Ich saß in der Bibliothek und habe mich ein bisschen vor dem Schreiben meiner zweiten Masterarbeit gedrückt und stattdessen in einem „nature“ Magazin geblättert. In dieser Ausgabe gab es ein Epilepsie Special, wobei die älteste Form der Therapie gegen Epilepsie beschrieben wurde: Die Ketogene Diät!

Was hat man bei dieser Therapie durch die Keto Diät denn beobachtet?
Vor ungefähr 100-150 Jahren hat man festgestellt, dass, wenn ein Epilepsie Patient fastet, sich die Epilepsie Attacken deutlich reduzieren und bei manchen sogar komplett verschwinden. Natürlich kann kein Mensch für immer fasten, sonst stirbt er vor Hunger. Jedoch ist dies der Ursprung der klassischen ketogenen Diät. Man versucht das Fasten in einer Diätform zu imitieren und zwar so, dass man quasi 80% der Kalorien aus Fett zu sich nimmt, 15% aus Proteinen und die restlichen 5% aus Kohlenhydraten. Das hat den Hintergrund, dass der Körper nicht unbedingt weiß ob das Fett nun von außen oder von den körpereigenen Fettreserven kommt und die Proteine von außen oder aus den Muskeln oder dem Darm. Leider ist diese Form, durch das Auftreten neuer Pharmaprodukte wie z.B. Antiepileptika, etwas in Vergessenheit geraten.

Wie kam es dann dazu, dass du diese Diät auf Migräne angewendet hast?
Naja. Ich habe mir die Mechanismen angeschaut und habe mir gedacht: Man, das muss auch Migräne-relevant sein. Dass Migräne und einige Formen der Epilepsie, zumindest teilweise, ähnliche Gene haben war bereits bekannt. Ich selbst war während des Masters schon chronisch von Migräne betroffen und bin auch deshalb in die Migräneforschung gegangen; hab beide Masterarbeiten im Bereich Migräne gemacht, aber eben noch nicht Ketose. Als ich das dann gelesen habe, wollte ich darüber meine Doktorarbeit schreiben. Das war anfangs gar nicht so einfach, weil viele Ärzte und klassische Neurologen noch nichts von Ketose gehört hatten. Dementsprechend waren alle noch sehr skeptisch.

httpv://www.youtube.com/watch?v=2YzNjIXk_eY?showinfo=0&start=0
Keto- und Migräne-Expertin Elena Gross

Du hast es ja aber dennoch geschafft…
Genau! In Basel hat es dann geklappt. Dafür musste ich zwar alle meine anderen Stipendienangebote ablehnen, aber konnte dafür das in einem Nebenprojekt untersuchen; auch um Basel attraktiver zu machen. Die Untersuchungen liefen dann sogar so gut, dass es mittlerweile mein Hauptprojekt geworden ist. Jetzt untersuchen wir Ketonkörper als mögliche Migräne Prophylaxe.

Was macht denn die ketogene Diät nun so effektiv für die Migräne?
Es gibt viele mögliche Pathways / Mechanismen durch welche Ketonkörper die Migräne positiv beeinflussen könnten. Ketonkörper senken die Erregbarkeit des Gehirns; sie stellen zusätzlich zur Glucose eine alternative Energiequelle dar; weiterhin sind sie potenzielle Antioxidantien. Oxidativer Stress hat sicherlich jeder schon einmal gehört. Zu viel davon ist schädlich und erhöhter oxidativer Stress wird auch mit Migräne und ihren Triggerfaktoren in Verbindung gebracht.
Die Keto Diät hilft quasi das Energiedefizit, welches vermutlich bei einer Migräne im Gehirn entsteht, zu verhindern. Ich vergleiche das immer ganz gerne mit einem Elektroauto. Heutzutage sind wir bzw. besonders wir Migräniker – aufgrund von unserer kohlehydratlastigen Ernährung quasi alle Elektroautos und wenn wir nicht alle paar Stunden neuen Strom bzw. etwas zu essen bekommen, dann bleiben wir stehen und die Migräneattacke kommt. Ziel der Keto Diät ist es, dass wir wieder Hybridautos werden, damit wir, wenn der Storm – also die Glukose – leer ist, auf Benzin – also Fette – umsteigen können und trotzdem weiter fahren können, ohne von Migräne lahm gelegt zu werden. Dual fuel quasi, und Bezin können wir ja bekanntlich viel mehr speichern als Storm, so sind auch unsere Fettreservern im Körper sind viel grösser als die Glukosevorräte. Also kurzgesagt erreicht eine ketogene Diät, dass das Gehirn eine alternative Energiequelle zur Verfügung hat, auf die es konstant zugreifen kann und zudem werden Blutzuckerschwankungen vermieden.

Ist die Keto Diät denn für jede Form der Migräne anwendbar?
Das ist eine gute Frage! Migräne ist multigen: Das bedeutet es sind sehr viele verschiedene Gene involviert. Man sollte sich immer die Trigger-Faktoren anschauen. Wenn die Migräne durch z.B. Sport, Malzeitauslassen, Alkohol oder wenig trinken ausgelöst wird, dann ist es relativ wahrscheinlich, dass der Energiemetabolismus eine Rolle spielt. Wenn das der Fall ist, dann ist es auch eher wahrscheinlich, dass eine ketogene Diät hilft.

Muss man die Keto Diät denn wirklich konsequent ein Leben lang machen oder kann man sich auch mal einen Cheatday gönnen?
Also ein Cheatday macht bei der Migräne wenig Sinn, da es sein kann, dass man bis zu einer Woche komplett aus der Ketose fällt und dementsprechend keine Ketonkörper produziert. Aber die wenigstens müssen, meiner Meinung nach, ein Leben lang in der Ketose bleiben. Es dauert 2-6 Wochen, bis der Körper wirklich vollständig in der Ketose ist und sich der Körper an die Ketonkörper und die Umstellung gewöhnt hat. Wer es probieren möchte, sollte es 6 Wochen auf jeden Fall konsequent probieren!

Kann man trotz Keto Diät auf eine Ausgewogene Ernährung achten?
Also ich muss persönlich sagen ich habe Obst wirklich vermisst. Es geht gar nicht unbedingt um die Kohlenhydrate an sich. Wer nur Fleisch und Fett isst muss unbedingt darauf achten auch z.B. rohe Bioleber zu essen, damit du deine Vitamine bekommst, denn die sind im Muskelfleisch nicht drin. Man muss sich also wirklich gut informieren. Wenn man also die ganze Zeit zu McDonald geht und beim Burger das Brötchen weglässt, dann wird man auch nicht gesund selbst wenn man in Ketose ist. Man muss also auf eine gute Qualität der Lebensmittel achten. Auch nicht zu viel Fisch, da dieser häufig durch Schwermetalle belastet ist. Ich würde bei tierischen Produkten eher auf Bioprodukte zurückgreifen. Gemüse sollte man, so viel der Körper für den Erhalt der Ketose toleriert, zu sich nehmen. Ein bisschen Paprika und Tomaten oder eine geringe Menge an Beeren wären schon gut, meiner Meinung nach.

Wie sollte man denn vorgehen, wenn man sich entscheidet die Keto Diät zu beginnen?
Das ist auch typabhängig. Es gibt Leute, die starten über Nacht und gehen direkt auf unter 50g Kohlenhydrate pro Tag und sind nach einer Woche trotzdem topfit. Bei mir ging es aber besser, wenn man es über 6 Wochen verteilt langsam einleitet. Zu Beginn erstmal alle Weißmehle und Zucker weglassen und sich langsam von „low GI“ zu „low carb“ bis hin zu ketogen durchzuarbeitet. Das hat den Vorteil, dass man auch besser erkennt ob „lowcarb“ oder „low GI“ nicht vielleicht schon ausreicht als Diät. Der Körper braucht auch Zeit um sich an die Umstellung zu gewöhnen. Dass ist ein bisschen wie mit dem Rauchen: Es ist ja auch schwerer über Nacht komplett aufzuhören, als sich nach und nach zu entwöhnen. Viele machen auch den Fehler zu wenig Salze zu essen. Man sollte wirklich darauf achten genügend Salze zu sich zu nehmen, damit man weiterhin seine Mineralstoffe hat. Am besten hochwertige Salze wie z.B. Steinsalz oder Himalaya Salz. Billiges Tafelsalz wäre dabei nicht die beste Option.

httpv://www.youtube.com/watch?v=RosL5egodIE
Frau mit Nüssen und Avocados für Low Carb Diät

Hast du vor deiner ketogenen Erkenntnis auch auf andere Mittel zurückgegriffen? Sei es medikamentös oder andere Therapieformen?
Oh aber Hallo! (lacht). Ich habe von Akupunktur bis hin zu irgendwelchen Pharmazeutika alles ausprobiert. Teilweise auch mit krassen Nebenwirkungen wie z.B. Demenz-artiger Gedächtnisschwund. Einmal habe ich sogar den Namen meiner besten Freundin vergessen. Das ging so weit, dass ich mit Antiepileptika in meinen Vorlesungen in Oxford saß, weil ich es sonst mit der Migräne nicht geschafft hätte.

Das muss ja wahnsinnig frustrierend gewesen sein…Total! Ich habe mir echt gedacht: Ich MUSS etwas finden, weil so wie es jetzt ist – das ist kein Leben. Die Nebenwirkungen und die Schmerzen selbst sind so unerträglich. Ich hatte bis zu 30 Tage im Monat dauerhaft Migräne und das kann man auch nicht mehr ignorieren. Auch viele Selbstexperimente sind anfangs schief gegangen. Als es dann aber funktioniert hat: Wahnsinn! Ab dann habe ich dafür gekämpft das publik zu machen! Ketose ist wirklich eine nebenwirkungsärmere Option.

Gibt es eigentlich eine ketogene Nascherei ohne die du nicht mehr kannst?
Achja das Snacken hab ich mir auch noch nicht wirklich abgewöhnt. Ich war früher schon eine Naschkatze. Nüsse sind immer sehr gut, wobei man bei den Cashewnüssen etwas aufpassen muss, denn die sind sehr süß. Was auch gut funktioniert ist ein sehr schöner spanischer Serrano Schinken mit dem man Walnüsse einwickelt. Das ist super lecker! Man kann auch selbst Schokolade machen, wobei es mittlerweile auch gute 90% Schokolade zu kaufen gibt. Die Geschmacksrezeptoren stellen sich mit der Zeit ja auch um, was den Vorteil hat, dass dir Sachen süßer vorkommen als du es bisher gewohnt warst. Man kann auch immer ein paar Gemüsesticks machen mit einer selbstgemachten Mayonnaise als Dip. Das ist auch geil. Am liebsten sind mir aber die Nüsse.

Liebe Elena, vielen lieben Dank, dass du dir, trotz deines straffen Zeitplans, Zeit genommen hast und uns so viele Fragen zur Keto Diät und Migräne beantwortet hast. Wer sich näher über die aktuelle Studie von Elena Gross (MSc in Neuroscience, University of Oxford; BSc in Psychology, University of York) informieren möchte, kann das gerne unter folgendem Link tun: https://www.headache.ch/migraket

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