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Interview mit Christine Wunderlich

Zuletzt aktualisiert am 3. Oktober 2022 von vik_admin

(Bio)
Christine Wunderlich
Schriftzug in Schreibschrift "Just Relax"
Wir sprechen heute über das Konzept der Achtsamkeit und wie man mit ihr mehr Entspannung in seinem Alltag finden kann. Dazu haben wir Christine Wunderlich im Interview.
httpv://www.youtube.com/watch?v=lmLgnGJ-PZA
Christine Wunderlich

Einstieg

Im Rahmen unserer Interviewreihe „Entspannen wie die Profis“ sprechen wir heute mit Christine Wunderlich, eine Heilpraktikerin für Psychotherapie. In ihrer Praxis beschäftigt sie sich mit den Themen Psychotherapie, Coaching und Hypnose. Herzlich willkommen Frau Wunderlich, möchten Sie sich erstmal selbst vorstellen?

Ja, zunächst einmal herzlichen Dank, dass ich heute hier sein darf. Wie Sie sagten, ich bin als Heilpraktikerin für Psychotherapie in eigener Praxis in der Nähe von Nürnberg tätig und gebe parallel Kurse in Stressbewältigung mit dem Schwerpunkt auf Achtsamkeit.

Danke für die Vorstellung. Bevor Sie sich zur Heilpraktikerin haben ausbilden lassen, haben Sie 20 Jahre als Management Assistentin gearbeitet. Was war für Sie der ausschlaggebende Faktor, nach so langer Zeit in eine vollkommen neue berufliche Richtung zu gehen?

Ja, gute Frage. Sehen Sie, ich hatte einen intensiven Beruf als Management Assistentin auf erster Führungsebene. Mit intensiv meine ich: Ich hatte eine 50 – 60 Stunden Woche, gerne auch Arbeit am Wochenende und irgendwann war das einfach tatsächlich zu viel. Ich habe dann angefangen, Kurse in Entspannung und Stressbewältigung zu besuchen und diese Kurse haben mir sehr gut getan und mich auch inhaltlich interessiert. Letztendlich hatte ich einfach Lust, dann etwas Neues zu beginnen. Ich habe mich ausbilden lassen, zunächst als Entspannungstrainerin und habe dann auch bereits meine ersten Kurse gegeben in Stressbewältigung, Entspannung und Achtsamkeit. Diese Kurse sind sehr gut angekommen. Ich konnte die Menschen erreichen, ich denke vor allen Dingen auch, weil ich aus der freien Wirtschaft kam. So führte eigentlich eines zum anderen. Ich habe Kurse gegeben und mich dann letztendlich auch zur Heilpraktikerin für Psychotherapie ausbilden lassen, sodass ich das, was ich gerade in den Kursen gemacht habe, auch therapeutisch umsetzen konnte.

Die Arbeit an sich selbst

Das heißt, Stress war dann schon eine lange Zeit ein Thema in Ihrem Leben. Wahrscheinlich war er schon ein Teil davon, als Sie noch als Management Assistentin gearbeitet haben. Es klingt so, als ob Sie damals angesichts der Belastung auch auf einen Burnout zugesteuert sind. Man liest ja immer wieder von Burnout als sogenannter Volkskrankheit der Deutschen- Haben Sie in ihrer Praxis öfter damit zu tun und würden Sie sagen, dass sich das Auftreten von Burnout vor allem in den letzten Jahren vermehrt hat?

Ja, das kann ich so bestätigen, wobei ich ganz kurz im Vorfeld den Begriff Burnout noch etwas genauer definieren möchte. In den klinisch-diagnostischen Leitlinien, das ist die medizinische Klassifikation von Erkrankungen, bezieht sich der Begriff Burnout rein auf die arbeitsbezogene Leistung. Das bedeutet, die Bezeichnung bezieht sich rein auf den beruflichen Bereich. Sie ist definiert durch eine totale körperliche und geistige Erschöpfung und dabei ist es wichtig zu wissen, dass dies auch zu einer manifesten Depression führen kann. Spätestens dann ist eine ärztliche Behandlung notwendig. Diese körperliche und geistige Erschöpfung sehe ich aber auch außerhalb des beruflichen Kontext, also zum Beispiel bei Patienten, insbesondere Frauen, die mehrfach belastet sind durch Haushalt, Kindererziehung und häufig noch in Teilzeit arbeiten. Da kommen dann teilweise zusätzliche Belastungen im Alltag hinzu, wie ganz schwere Erkrankungen, eine unerwartete Kündigung etc. Auch dann läuft das Fass über und leider kommen auch immer mehr jüngere Patienten mit einem überhöhten Leistungsanspruch zu mir. Auch diese Menschen geraten dann in eine Erschöpfungskrise. Erhöhter Leistungsanspruch kann in der Schule oder im Studium auftauchen, aber insbesondere auch damit zusammenhängen, was in den sozialen Medien vorgegeben wird in puncto Aussehen, Gewicht, Sport und Popularität. Also ja, eindeutig hat das Auftreten von Burnout zugenommen.

Achtsamkeit im Alltag

Was kann ich denn tun, wenn ein Burnout vorliegt? Also was kann ich selbst als Betroffener tun und was tun Sie vor allem in Ihrer Praxis, wenn Menschen mit einem Burnout zu Ihnen kommen?

Zunächst einmal geht es um den Schweregrad des Burnouts. Wenn der Patient bereits unter Depressionen leidet, ist eine ärztliche Behandlung unbedingt notwendig. Ich selbst lege in der Therapie Schwerpunkte auf einerseits körperlich vegetative und mentale Entspannung, damit Körper und Geist sich zunächst einmal regenerieren können. Dazu lernen die Patienten eine für sie passende Entspannungsmethode oder aber auch achtsamkeitsbasierte Meditationen, die sie dann zu Hause durchführen können. Zusätzlich nutze ich auch gerne Hypnose, damit kann ich sehr effektiv und schnell den Patienten durch eine Tiefenentspannung helfen, zu regenerieren, sich zu erholen und neue Energie zu tanken. Ein weiterer wichtiger Punkt in der Therapie ist auch das Herausfinden und Hinterfragen von „inneren Antreibern“. Mit inneren Antreibern sind innere Überzeugungen gemeint, wie beispielsweise, wenn ich mir unbewusst sage, alles, was ich mache, muss ich immer perfekt machen. Ich muss immer stark sein, ich muss mich beeilen und so weiter. Auch das führt zu einem unheimlichen inneren Stress. Genauso ist es extrem wichtig, einen guten und gesunden Umgang mit sorgenvollen Gedanken und Grübeln zu finden. Das ist ein häufiges Problem, auch losgelöst vom Burnout und deshalb habe ich dazu auch ein Buch geschrieben. Das Buch nennt sich „Endlich Ruhe im Kopf – 55 effektive Praxisübungen zum Ausstieg aus dem gedanklichen Hamsterrad“. Auch dort sind sehr viele hilfreiche Übungen für diesen, ich sage jetzt mal, inneren Stress, verursacht durch Gedanken, enthalten.

Ja, das sind ja auf jeden Fall Methoden, die man auch nicht nur anwenden kann, wenn jetzt ein Burnout vorliegt, sondern wahrscheinlich auch, um ihm vorzubeugen. Generell ist wahrscheinlich die beste Methode, mit einem Burnout umzugehen, ihn gar nicht erst aufkommen zu lassen. Haben Sie noch irgendwelche Tipps, was man tun kann, um sich darauf vorzubereiten oder sich so ein bisschen mentaler zu stärken, sodass man weniger anfällig dafür ist?

Also auf alle Fälle, erster wichtigster Punkt: Sorgen Sie für einen Ausgleich für das „Zuviel“ im Alltag, für das „Zuviel“ an Terminen usw. Kommen Sie zur körperlichen und mentalen Ruhe. Verschieben Sie das nicht auf den Urlaub – das reicht nicht. Aktivieren Sie ein ehemaliges Hobby oder suchen Sie sich ein neues Hobby. Das ist keine vergeudete Zeit, sondern gibt Kraft und Energie zurück. Überlegen Sie ab und an, welche Aufgaben Sie delegieren können. Wenn Ihnen das schwerfällt, fragen Sie sich, ob Sie vielleicht unbewusst die innere Überzeugung „Ich darf mir keine Hilfe holen“ mit sich tragen. Wenn Sie zum Perfektionismus neigen und sich deshalb vielleicht auch immer in den Aufgaben verzetteln und nicht zum Ende kommen: Hinterfragen Sie auch diesen inneren Antreiber. Besuchen Sie einen Kurs in Achtsamkeit, am besten mit dem Schwerpunkt “Achtsamkeit zur Stressbewältigung” und vor allen Dingen, wenn sie merken, dass diese Ratschläge nicht ausreichen, sie sich weiterhin gestresst und erschöpft fühlen: Holen Sie sich bitte rechtzeitig professionelle Hilfe.

Achtsamkeit ist ein Begriff, der immer mehr an Bedeutung gewinnt und auch Sie haben ihn auf jeden Fall jetzt schon ein paar Mal in Ihre Antworten mit einfließen lassen. Wie würden Sie denn grundlegend Achtsamkeit definieren? Und welche Rolle spielt sie beispielsweise in Ihrem eigenen Alltag?

Vorneweg: Achtsamkeit hat sehr viele verschiedene Facetten und wird unterschiedlich definiert. Ich konzentriere mich bei meiner Arbeit und auch für mich persönlich auf diejenigen Aspekte, die hilfreich sind, um besser mit dem Stress, mit den Herausforderungen zurechtzukommen. Der wichtigste Punkt ist, sich immer wieder daran zu üben, präsent zu sein. Damit meine ich mit der Aufmerksamkeit und den Gedanken bewusst, im gegenwärtigen Moment zu sein; bei dem, was wir jetzt gerade tun und was jetzt gerade ist. Beispielsweise spreche ich jetzt mit Ihnen und denke nicht schon an heute Abend. Achtsamkeit bedeutet also, wirklich für den jetzigen Moment aufmerksam zu sein. Sich bei dem, womit man sich gerade beschäftigt oder auch bei dem, was man gerade empfindet, immer wieder zu fragen: „Wie geht es mir denn eigentlich?“ Das ist sehr wichtig, denn wir neigen dazu, uns in unserem hektischen Alltag immer wieder selbst zu vergessen. Man sollte die kleinen Dinge im Alltag bewusst wahrnehmen und den gegenwärtigen Augenblick genießen. Nicht mit den Gedanken in der Vergangenheit oder schon 2 Schritte im Voraus zu sein, führt zu mehr Gelassenheit, Zufriedenheit und auch Lebensfreude. Ein weiterer wichtiger Punkt für mich ist die Wahrnehmung des jetzigen Moments, ohne ihn automatisch zu bewerten, Das heißt, ihn offen und neutral zu beobachten. Denn mit unseren gedanklichen Urteilen, die häufig negativ sind, lösen wir unsere Gefühle, Verhaltensweisen und natürlich dann auch eine mögliche Stressreaktion aus. Eine neutrale Haltung unterstützt uns dabei, ruhig und gelassen zu bleiben. Und als dritter wesentlicher Punkt bedeutet Achtsamkeit für mich, achtsam mit sich selbst umzugehen, einen fürsorglichen Umgang mit sich selbst zu pflegen. Und auch dazu finden Sie Beispiele in meinem Buch, das ich eben gerade erwähnt habe oder auch auf meiner Homepage.

Für mich persönlich spielen auch diese Punkte eine wichtige Rolle im Alltag; ich versuche immer wieder bewusst und präsent im jetzigen Augenblick zu sein, zum Beispiel natürlich auch in voller Präsenz bei meinem Patienten und in meinen Kursen zu sein. Dieses präsent sein, können Sie auch immer wieder in Ihrem Alltag sehr gut als Übung nutzen. Ich mache das zum Beispiel auf dem Weg in die Praxis oder nach Hause. Dann bin ich nur auf dem Weg und nicht mehr mit meinen Gedanken bei der Arbeit. Hilfreich ist es dabei, bewusst auf die Sinneswahrnehmungen zu achten. Was kann ich sehen, was kann ich hören? Und ich versuche mir auch immer wieder kleine Auszeiten zu nehmen, einfach nur da zu sein oder aber auch eine Meditation zu machen, zum Beispiel eine kurze Atemmeditation.

Wichtig ist: Achtsamkeit ist ein Weg, auf den Sie sich machen und Sie gehen mal schneller, Sie gehen mal langsamer. Es ist keine Entspannungsmethode, die Sie jetzt erlernen und immer wieder auf Knopfdruck abrufen können. Es ist ein Weg mit sehr hilfreichen, unterschiedlichen Facetten.

Tipps

Sie bieten sowohl Workshops und Lehreinheiten für Privatkunden als auch Geschäftskunden an. Was ist denn das Besondere an Ihren Angeboten für Unternehmen und wo setzen Sie dort den Schwerpunkt?

Ich habe das Kurskonzept „Stressbewältigung durch Achtsamkeit in 6 Schritten“ entwickelt, dazu auch mit dem gleichen Titel ein Buch geschrieben. Der Kurs besteht aus 6 Terminen, idealerweise einmal pro Woche. So haben die Teilnehmer ausreichend Zeit, die Inhalte aufzunehmen, auszuprobieren und so für sich selbst und das ist mir besonders wichtig, ihr passendes Programm selbst zusammenzustellen. Denn Stress ist individuell, genauso wie die Lebenssituation, in der sich meine Teilnehmer befinden. Ich gehe in den Kursen sowohl auf die körperlichen Auswirkungen von Stress ein, also auch auf die ständig erhöhte mentale Belastung und die typischen Stressfaktoren, wie die tägliche Reiz- und Informationsflut, Alltagsärgernisse, belastende negative Gedanken – eben die inneren Antreiber, die ich vorhin erwähnt habe. Ich zeige in den Kursen Wege, wie man mit diesen Stressfaktoren einen gesundheitsfördernden Umgang finden kann und es geht mir auch immer wieder um die Frage, wie ich ganz gezielt zu mehr Lebensfreude, Zufriedenheit und Gelassenheit finden kann. Letztendlich ist das nämlich die beste Stress-Prävention. Ich versuche in meinen Kursen, den Schwerpunkt auch auf einen großen Praxisanteil zu legen. Das bedeutet, wir machen viele Übungen, insbesondere Meditationen und Achtsamkeitsübungen. Ich stelle bewusst unterschiedliche Übungen vor, damit jeder die richtigen für sich finden kann und wichtig ist mir auch, dass die Inhalte des Kurses alltagstauglich sind, denn es bringt den Teilnehmern wenig, noch so gute Stressbewältigungskonzepte zu haben, wenn diese viel zu komplex oder auch zeitintensiv für den Alltag sind oder auch zu theorielastig. Dann erreichen wir das Gegenteil und verursachen zusätzlichen Stress.

Angenommen, wir haben jetzt Zuhörer oder Leser, die sich noch nie mit dem Thema Achtsamkeit beschäftigt haben: Haben Sie Tipps, wie man anfangen kann, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen? Was ist für mich ein guter Einstieg, wenn ich noch gar keine Ahnung habe?

Sinn macht es, sich in der Grundübung der Achtsamkeit zu üben, nämlich was ich vorhin schon gesagt habe, präsent im gegenwärtigen Moment zu sein. Dafür gibt es eine wunderbare Übung. Ich nenne diese Übung „Ich tue, was ich gerade tue.“ Entscheiden Sie sich für eine Routine-Tätigkeit, also zum Beispiel Zähneputzen, Frühstücken, Kochen, Gartenarbeit, die Sie für eine Woche täglich zu Ihrer Achtsamkeitsübung machen. Das bedeutet, dass sie versuchen, mit Ihrer ganzen Aufmerksamkeit und Ihren Gedanken bei dieser Übung zu bleiben. Wenn sie abschweifen, was ganz normal ist, dann bemerken Sie das einfach und kehren wieder zurück zu Ihrer Tätigkeit und sagen sich dann folgenden Satz: „Ich sitze am Frühstückstisch und noch nicht im Büro. Ich tue, was ich gerade tue.“ Hilfreich ist es dabei, auf die Sinneswahrnehmungen zu achten und diese zu beschreiben. Denn Sinneswahrnehmungen holen uns immer in den jetzigen Augenblick zurück und so ist auch der Kopf gedanklich beschäftigt und dann spüren Sie, wie Ihnen diese kleine Übung Kraft zurückgibt, Sie fühlen sich nicht mehr so ausgelaugt und erschöpft den ganzen Tag über. Machen Sie bewusste Atem-Meditation über den Tag verteilt. Es reichen dazu 3 bewusste Atemzüge, auf die Sie sich konzentrieren; sagen Sie sich dabei gedanklich „Ich atme ein, ich atme aus“. Damit Sie auch an diese Atemübung bzw. Atem-Meditation denken, setzen Sie sich bewusst Signale. Zum Beispiel immer, wenn Sie an einer roten Ampel stehen. Ansonsten stellen Sie sich eine Erinnerung auf dem Handy, die Sie stündlich oder alle 2 Stunden an die Atemübung erinnert.

Vielen Dank

Ja super, das ist doch ein toller Einstieg, wenn ich mich noch nicht damit beschäftigt habe und erste Schritte unternehmen möchte. Dann danke ich Ihnen auf jeden Fall für Ihre Zeit und für diesen einmaligen Einblick in die Welt der Achtsamkeit und der Stressprävention.

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