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Interview mit Katharina Kreier

Zuletzt aktualisiert am 7. Oktober 2022 von vik_admin

(Bio)
Katharina Kreier
Schriftzug in Schreibschrift "Just Relax"
Wir sprechen heute über die Bedeutung von Natur und Minimalismus in Beziehung zum eigenen Heim. Dazu haben wir Katharina Kreier im Interview.
Katharina Kreier

Einstieg

Hallo Frau Kreier, vielen Dank, dass Sie sich Zeit genommen haben, um uns als Experte zum Thema “Einrichtung” ein paar Fragen zu beantworten. Sie arbeiten schon länger in der Branche und helfen Menschen dabei, ihr Zuhause so einzurichten, dass sie sich dort wirklich wohl fühlen. Dabei haben Sie in Ihrer Arbeit schon oft ungewöhnliche Elemente integriert.

Sie sind nämlich nicht nur Innenarchitektin, sondern bauen sich gerade ein zweites Standbein als Mental Coach auf. Zwei Bereiche, die auf den ersten Blick nicht unbedingt zusammengehören. Wie kamen Sie dazu, Menschen mental zu beraten und haben sie Elemente dieser Leidenschaft auch schon in Ihre vorherigen Wohnberatungen mit einfließen lassen?

Das ist eine sehr schöne Frage und ich denke, viele die beratend tätig sind, würden mir hier zustimmen. Bei einer Beratung – vor allem, wenn es um so etwas persönliches geht, wie die eigenen vier Wände – braucht man viel Einfühlungsvermögen, um die Bedürfnisse der Kunden richtig einschätzen zu können. Manchmal geht es auch weit darüber hinaus, z.B. bei Ehepaaren, die sich nicht einig sind und dann in Grundsatzdiskussionen geraten. Ein anderes Thema bei vielen Menschen ist, dass sie nicht wissen, was sie wollen oder was sie unterstützt. Da ist ein gewisses Gespür für Menschen und Psychologie sehr hilfreich.

Ich habe oft festgestellt, dass solche Herausforderungen mir besonders viel Freude bereiten und dass mir diese Ebene ganz gut liegt. Da mir das Thema Einrichtung und Innenarchitektur schnell zu oberflächlich wurde und mir zum gleichen Zeitpunkt „zufällig“ ein Buch zu dem Thema Wohnpsychologie in die Hände gefallen ist, habe ich in dem Bereich Fortbildungen gemacht. Parallel habe ich mich privat schon viel mit dem Thema Persönlichkeitsentwicklung beschäftigt.

Als mein Vater 2018 verstarb, bekam ich nochmal einen ganz anderen Blick auf das Wesentliche im Leben. Ich stand in meinem damaligen Job als angestellte Innenarchitektin sowieso schon kurz vor einem Burnout. Dann habe ich endlich auf meine innere Stimme gehört und gekündigt. Zu dem Zeitpunkt wusste ich nicht, wie es beruflich weitergeht. Ich wusste nur, dass ich nicht wieder in einem Angestellten-Verhältnis arbeiten werde. Ich habe ein halbes Jahr gebraucht, bis ich so weit war, mich selbstständig zu machen.

Minimalismus in der Einrichtung

Mehr Freiheit zu erlangen und sich auf das Wesentliche zu besinnen, ist für Sie dabei nicht nur in Ihrer Karriere von Bedeutung, sondern zeigt sich auch als treibender Faktor in Ihrem Privatleben. Sie selbst leben daher seit einiger Zeit in einem “Tiny House on Truck”. Möchten Sie kurz beschreiben, was das genau heißt?

Ich habe mein gesamtes Hab und Gut in meinem LKW. Dieser Lebensstil passt für alle meine Bedürfnisse. Ob Nordseeluft oder die Berge, ich bin flexibel und kann dorthin fahren, wo ich mich gerade wohl fühle. Ich kann meistens von unterwegs aus arbeiten und das dort, wo andere Urlaub machen. Ich liebe es zum Beispiel sehr, Zeit mit Freunden zu verbringen. So kann ich ganz frei und flexibel auf jede Situation eingehen. Wenn Freunde kein Gästezimmer haben oder es sich einfach besser anfühlt, wenn ich meinen eigenen Raum habe, nehme ich mein Zuhause einfach mit.

Ein weiterer Punkt ist, dass ich viel Wert auf Nachhaltigkeit lege. Ich verbrauche durchschnittlich 10-15 Liter Wasser am Tag und sehr wenig Strom. Man bekommt eine ganz andere Wertschätzung für die kleinen Dinge. Weniger (in guter Qualität) ist mehr. Je mehr ich aussortiere, desto freier fühle ich mich. Nicht zuletzt spare ich enorm viel Geld für Miete und alles was damit zusammenhängt, was mir weitere Freiheit schenkt.

Manche Menschen besitzen ein ganzes Haus und haben dennoch nicht annähernd genug Platz für alle Gegenstände, die sie ihr Eigen nennen. Welche Auswirkungen hat es, wenn man auf kleinstem Raum lebt und nichts Überflüssiges besitzen kann? Gibt es ein besonderes Gefühl der Freiheit, wenn man sein Zuhause, seine Wurzeln kinderleicht überall mit hinnehmen kann?

Ich trage meine Wurzeln in meinem Herzen und bin in mir zu Hause – unabhängig von äußeren Umständen. Es ist natürlich sehr individuell, mit welchem Lebensstil man sich wohl fühlt und in welcher Lebensphase man gerade ist. Allerdings kann man auch mit einer mehrköpfigen Familie im LKW leben. Das gibt es alles und es kann funktionieren. Ich denke, es ist wichtig, dass man seinen Träumen nachgeht. Auch wenn man nach einem Jahr merkt, es ist doch nichts für mich. Viele Menschen finden viele Gründe, warum es gerade nicht möglich ist, etwas zu tun. Das hat mit Ängsten, erlernten Mustern oder Glaubenssätzen zu tun.

Um nochmal auf die Wurzeln zurückzukommen: Viele machen das “Zuhause-Gefühl“ an materiellen Dingen fest. Das liegt auch an unserer westlichen, oft materialistisch ausgerichteten Gesellschaft und Erziehung. Die überflüssigen Dinge, die viele anhäufen sind oft unterbewusste Ablenkungen, um sich nicht mit sich selbst auseinandersetzen zu müssen. Frust, Sehnsucht nach Erfüllung und Unzufriedenheit mit sich selbst sind Themen, die zum Auslöser werden können.

Die Ursachen hierfür liegen weitaus tiefer. Aus Angst vor den Konsequenzen, wenn wir uns diesen Themen stellen, greifen unterbewusste Mechanismen, die uns nur schützen wollen. Je mehr Materielles man anhäuft, desto gebundener ist man. Dies geht mit Verpflichtungen einher wie, Finanzierungen, Verwaltung, aber auch einfachen Dingen wie, sauber halten, reparieren, etc.. Wenn man es ganz herunterbrechen möchte, ist Materie Energie und angehäufte Materie ist gebundene Energie.

Nachhaltigkeit ist für Sie also privat wie beruflich ein wichtiges Thema. Bei der Einrichtung heißt das hochwertige Möbel aus nachhaltigen Ressourcen, weniger Gerümpel, das man nicht braucht und eine Besinnung auf das, was wichtig ist. Welche Auswirkungen hat es, wenn sich Menschen entscheiden, nachhaltiger zu leben? Kann dies automatisch zu einem vermehrten Wohlgefühl und einer größeren Entspannung im eigenen Heim führen?

Ja, definitiv. Materialien haben Einfluss auf unser Körpersystem, auf unsere Gesundheit und damit auch auf unser Wohlgefühl, da Schadstoffe Stressoren für den Körper sind. Man kennt dies auch aus Kleidungsgeschäften. In Geschäften, in denen „Fast Fashion“ verkauft wird, bekommt man oft Kopfschmerzen. Das liegt an den Ausdünstungen der verarbeiteten Materialien. Es ist in den eigenen vier Wänden natürlich noch viel wichtiger, darauf zu achten. Daher ist es wichtig „gesunde“ Materialien einzusetzen.

Außerdem macht es ein viel besseres Gefühl und man hat ein gutes Gewissen, wenn man sich seltener etwas kauft und dann dabei auf gute Qualität achten kann. Wenn man ausmistet – was wahrscheinlich jeder kennt – fühlt man sich danach auch im Inneren freier und aufgeräumter. Es entsteht neuer Raum für Ideen und man bekommt Motivation, kreativ zu werden.

Der menschliche Geist und der Wohnraum

Die Materialen unserer Umgebung haben also direkten Einfluss auf uns. Folgendes Zitat von Winston Churchill findet sich auf Ihrer Website: “We shape our buildings; thereafter they shape us.” Finden Sie, dass diese Aussage adäquat die Bedeutung des Wohnraums für den Menschen darstellt? Wie kann eine Wohnung eine Person formen?

Damit ist die Wechselwirkung zwischen uns Menschen und unserem Umfeld gemeint. Ich gestalte meinen Wohnraum oder lasse ihn gestalten. Wenn dies zum Beispiel nur nach Modekriterien geschieht und ich dabei nicht auf meine Bedürfnisse achte, weil ich sie vielleicht überhaupt nicht kenne, kommt es unter Umständen dazu, dass ich mich nicht gut entspannen kann oder dass ich einen Raum nicht nutze, weil ich mich darin nicht wohl fühle.

Die Erkenntnis der Wechselwirkung zwischen Mensch und Wohnraum formt auch Ihre Arbeit und Ihre Herangehensweise an die Inneneinrichtung. Sie sind zertifizierte wohnpsychologische Expertin. Was kann man sich unter dem Begriff der Wohnpsychologie vorstellen? Inwiefern hängt der menschliche Geist mit seiner Wohnung zusammen?

Wir verbringen tatsächlich ca. 90% unserer Zeit innerhalb von Gebäuden. Daher ist dieses Thema nicht zu unterschätzen. Die Wohnpsychologie beschäftigt sich mit dem menschengerechtem Lebensraum, sowie mit der Wechselwirkung zwischen Raum und Mensch, bezogen auf das menschliche Fühlen, Denken, Verhalten und die Gesundheit. Sie beinhaltet die Farbpsychologie, die Entwicklungspsychologie und die Sozialpsychologie, um ein paar Bereiche zu nennen und ist Teilgebiet der Umweltpsychologie. Sie befasst sich mit Innenräumen, gesamten Gebäuden, mit den Außenbereichen im Wohnumfeld und dem Wahrnehmungsraum von der Wohnung aus (Aussicht).

Wichtige Wirkungsbereiche sind zum Beispiel Krankenhäuser, Kindergärten, Pflegeheime, etc.. Es werden Fragen behandelt wie „Welche Wohnbedürfnisse sollte eine Wohnumwelt unbedingt erfüllen?“ oder „Wie kann man in Brennpunktgebieten die Kriminalität minimieren?“. Hier könnte eine mögliche Antwort sein (je nach Problemstellung), bessere Ausleuchtung des Eingangsbereiches, oder bessere Sichtachsen in verwinkelte Bereiche. Es können auch Wohnkonflikte ergründet und behoben werden, um so das soziale Miteinander zu verbessern.

Wie angenehm und erholsam meine Einrichtung ist, hängt demnach davon ab, was für ein Typ Mensch ich bin. Welche Fragen sollten Menschen sich selbst stellen, um herauszufinden, was ihre ganz individuellen Bedürfnisse im Hinblick auf die Wohnung sind? Was sollten sie beachten?

Je mehr Zeit wir in einem Raum verbringen, desto stärker werden wir psychisch und körperlich von den Raumeigenschaften beeinflusst. Dazu kommt, dass sich die Wohnbedürfnisse im Laufe der Jahre meistens verändern. Es lohnt sich also, sich einmal mit diesem Thema in Bezug auf die eigenen Räume zu beschäftigen. Es kommt natürlich darauf an, ob ich mir die Fragen vor der Wohnungssuche stelle, oder ob ich meine Räumlichkeiten optimieren möchte. Ein paar einfache Beispielfragen wären:

Kann ich am Besten in sozialer Interaktion vom Alltag abschalten? Liegt mein Schwerpunkt auf gemeinsamem Kochen und Essen mit Freunden? Dann brauche ich dementsprechend eine geräumige, vielleicht offene Küche, bzw. ein großes Esszimmer mit einem großen Tisch. Bin ich eher extrovertiert oder introvertiert? Wenn ich eine Wohnung im EG mit großen, bodentiefen Fenstern habe und die Straße belebt ist, kann es sein, wenn ich eher introvertiert bin, dass ich die meiste Zeit die Vorhänge oder Rollladen geschlossen habe, weil ich mich sonst beobachtet fühle. Das wirkt bewusst oder unbewusst irgendwann auf die Psyche. In dem Fall kann man sehr gut große Pflanzen einsetzen, um den Blick von außen direkt am Fenster „abzufangen“. Habe ich vielleicht ein großes Wohnzimmer und merke irgendwann, dass ich mich geborgener in überschaubaren, kuscheligen Räumen fühle? Dann kann man gut mit einem Raumtrenner arbeiten.

Die Natur im menschengemachten Umfeld

Wenn man zu viel Stress hat und einem alles zu viel wird, hilft oftmals der Gang in die Natur. Es gibt seit unserer Geburt eine grundlegende Verbindung zwischen ihr und dem Menschen und sie wirkt sofort unterbewusst auf uns, wenn wir uns auf sie einlassen. Gilt das gleiche auch für das eigene Zuhause? Kann ich mich besser entspannen, wenn ich der Natur Einlass in meine vier Wände gewähre und auf mehr Natürlichkeit setze?

Das ist ein sehr wichtiger und grundlegender Gedanke. Menschen – WIR – sind Teil der Natur. Je weiter wir von ihr getrennt sind, desto mehr verlieren wir den Kontakt zu uns selbst. Unser Körper wird nachts mit dem Erdmagnetfeld synchronisiert. In Stahlbetonhochburgen mit vielen Frequenzen um uns herum (Handys, WLAN, Elektrosmog, etc.) ist dies nur sehr eingeschränkt möglich.

Während der Arbeit zum Beispiel (vor allem bei der Arbeit am PC) sollte man sich regelmäßig Mini-Pausen einrichten und den Blick 30-40 Sekunden ins Grüne richten. Wenn es draußen nicht so grün ist, kann man auch eine schöne Naturfotografie nehmen. Das steigert die Konzentration, trainiert nebenbei noch die Augen und sie werden nicht so schnell müde. Der Blick ins Grüne suggeriert dem Unterbewusstsein Entspannung, weil es seit Urzeiten das Signal war, dass wir uns um unser Überleben, bzw. um unsere Nahrung nicht sorgen müssen.

Tipps

Eine Reise von tausenden Kilometern beginnt mit einem ersten Schritt. Welche grundlegenden Tipps haben Sie am Ende, damit sich unsere Leser*innen ein Zuhause aufbauen können, indem sie sich wirklich wohl fühlen und in dem sie optimal entspannen können? Was sind kleine Veränderungen, die bereits eine Menge bewirken können?

Es ist ein Zusammenspiel vieler Faktoren. Unterbewusst sind wir durch die Medien, vor allem über unser Handy, immer verfügbar und wir reagieren sehr viel auf äußere Impulse, die uns nicht zur Ruhe kommen lassen. Ein kostenloser und einfacher erster Schritt ist zum Beispiel ab einer gewissen Uhrzeit abends das WLAN abzustellen oder das Handy auf Flugmodus zu schalten. Auch die grellen, bläulichen Lichtstrahlen der Geräte wirken unterbewusst auf uns.

Es hängt auch hier wieder mit unserer Natur zusammen. Morgens und tagsüber ist das Licht eher blaustichig, abends eher warm, bzw. rotstichig. Wenn man das beachtet, kann man sogar Schlafstörungen entgegen wirken. Ich würde also empfehlen, abends die Beleuchtung anzupassen. Das machen die meisten intuitiv richtig, indem sie indirektes, warmes Licht nutzen. Kerzenlicht ist sogar noch besser als künstliches Licht.

Bei der Einrichtung ist es individuell. Einige Menschen brauchen ein sehr ruhiges, fast schon cleanes Setting, um nicht so viele Sinnesreize zu haben, damit sie entspannen können. Andere macht dies nervös und es fehlt ihnen die Geborgenheit, um sich fallen lassen zu können. Da ist es wichtig, ein Gefühl für sich selbst zu bekommen und zu spüren, was einem gut tut oder man holt sich Unterstützung. Es gibt, wie beim Licht, allerdings auch grundsätzliche Bedürfnisse, die man hier beachten kann.

Wie schon vorher erwähnt, spielen Pflanzen eine große Rolle. Sehr wichtig ist es auch, einen eigenen Rückzugsort zu haben. Wenn ein eigener Raum nicht zur Verfügung steht, kann man sich, zum Beispiel mit Hilfe eines Raumtrenners oder einer farblichen Wandgestaltung, eine Raumnische mit einem gemütlichen Sessel einrichten. Ich empfehle hier eine auf das Nervensystem beruhigenden Farbe, wie zum Beispiel Grün, Blau oder Rosa, zu verwenden.

Vielen Dank

Durch Ihre Expertise haben wir herausgefunden, wie wichtig die Natur und das nachhaltige Leben für das eigene Wohlbefinden sein können. Vor allem haben wir erfahren, wie befreiend die minimalistische Art des Wohnens sein kann. Danke für Ihre Zeit und Ihre Antworten.

Katharina Kreier (https://www.wesenskern.org/)

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