Einstieg
Hallo Frau Kopp, vielen Dank, dass Sie sich Zeit genommen haben, um uns als Experte zum Thema “Garten” ein paar Fragen zu beantworten. Sie informieren Menschen über saisonale Pflanzen, zeigen ihnen, worauf es beim eigenen Gemüsebeet ankommt und geben sogar Tipps, wie man eigens geerntete Lebensmittel richtig verwertet und haltbar macht. Das alles ist Ihnen nicht nur eine Herzensangelegenheit, sondern begleitet sie auch schon seit längerem beruflich.
Sie sind Gartenbau- und Agrarwissenschaftlerin und versorgen Ihre Familie mit selbst angebautem Obst und Gemüse. Woher stammt Ihre Leidenschaft für das Thema Umwelt und Garten im Besonderen?
Die Leidenschaft geht wohl auf meine Wurzeln zurück. Ich komme ursprünglich aus der Steiermark aus einem Obstbaubetrieb. Dort hat man mich schon als Baby mit auf den Acker genommen, als alle anderen fleißig beim Erdbeer-Ernten waren. Und auch später bin ich hier im Landkreis Aichach-Friedberg in der Landwirtschaft groß geworden und war im Garten, auf dem Acker und im Stall dabei. Ich war also auch als Kind schon immer in der Natur. So entstand wohl eine innige Naturverbundenheit.
Heute geht es mir unter die Haut, zu sehen, wie es durch den Klimawandel auch bei uns (ein gutes Beispiel ist Franken in Bayern) immer mehr zu Ernteausfällen oder mindestens zu weniger Erträgen kommt. Vor allem aber leidet auch der Wald und somit ist unser eigener Lebensgrundstein in Gefahr: Nämlich die Luft, der Sauerstoff, den der Wald und übrigens alle Pflanzen insbesondere auch die C4-Pflanzen (wie z.B. der Mais, Sorghum etc.) für uns Menschen und Tiere produzieren.
„Mach dein Hobby zu deinem Beruf“. Diesen Satz haben Sie sich vor Jahren zu Herzen genommen. Wie wichtig ist Ihnen der Garten nicht nur im Zuge Ihrer Arbeit, sondern auch im Hinblick auf Ihr Privatleben? Spielt er eine große Rolle für Ihr Wohlbefinden und Ihre Möglichkeiten, sich zuhause zu entspannen?
Ja. Denn dort kann ich meinen Gedanken freien Lauf lassen. Dort komme ich zu mir. Dort buddele ich in der Erde und fühle mich verbunden und glücklich. Ich vergesse die Zeit und alles rund um mich herum beim Anpflanzen, Umgraben und beim in der Erde werkeln. Am Ende der Arbeit sehe ich ein Ergebnis. Und das macht mich glücklich. Außerdem sind der Garten und der Hof ein wundervoller Spielraum für meine Kinder. Spiel, Spaß, Action, Naturverbundenheit und wieder in Berührung mit der Erde sein. Mit dem Ursprünglichen. Auch mit dem Dreck, wenn es im Herbst baziger wird. Denn der sorgt für unsere natürlichen Abwehrkräfte.
Aber auch das Ausruhen im Garten in Form von sich mal in die Hängematte legen und für eine Viertelstunde ausruhen und Kraft tanken oder mit den Kindern auf einer Decke picknicken gehört zur Entspannung im Garten. Außerdem finde ich den Garten inmitten von Blütenpracht und Grün eine wundervolle Atmosphäre für das Draußen-Essen. Es ist wundervoll, wenn wir uns im Sommer dafür Zeit nehmen und gemeinsame Familienzeit oder Zeit für Freunde im Garten haben.
Bedeutung des Gartens
Der Garten nimmt somit eine essenzielle Rolle in Ihrem Leben ein. Ob diese Leidenschaft für viele andere Menschen gilt, ist jedoch unklar. Was würden Sie sagen: Welche Bedeutung hat Ihrer Erfahrung nach der Garten für die Deutschen? Gibt es in den letzten Jahren einen vermehrten Anstieg an Interesse an eigenen Gärten, um der Industrialisierung und der Technik-Orientierung der vergangenen 50 Jahre etwas entgegenzuwirken?
Ich nehme an, dass die Bedeutung gar nicht so groß war, jedoch gerade wieder dazugewinnt. Was ich aber auch wahrnehme ist, dass es viele Gartenmarkt-Käufer gibt, die gerade im Frühjahr, sobald die ersten Strahlen Sonne hervorblinzeln, sofort losgärtnern wollen. Nur denken sie nicht an das Wetter, an die Vegetation und an die Bedingungen, denen die Pflanzen im Frühjahr noch ausgesetzt sind. Ich finde manchmal, dass deutsche Gartenliebhaber gerne Bilder aus den Prospekten eins zu eins in ihren Garten übertragen wollen. Ohne an die Pflegemaßnahmen oder Bedingungen zu denken. Ich denke aber auch, dass Wissen in Verbindung mit der Natur verloren gegangen ist. Das möchte man sich über einen Garten zurückholen.
Und ja, ich denke, es ist der Wunsch nach Garten, nach Natur, nach Erholung da. Auf der anderen Seite gibt es auch welche, die sich sehr für das naturnahe Gärtnern interessieren. Um einer Industrialisierung und Technik-Orientierung entgegenzuwirken, müsste sich noch sehr viel verändern. Doch das wäre eine 180 Grad Wende, die so vielleicht doch gar keiner will. Denn die Natur macht uns auch abhängig. Sie bestimmt uns. Und mit einer Industrialisierung und unserer Technik merken wir ihre Macht nicht so arg. Erst die Veränderungen im Klima lassen uns wieder etwas aufhorchen. Das ist bestimmt auch der Grund, warum es einen Trend hin zu mehr Naturgärten gibt. Doch dass das allein unser Klima rettet, glaube ich nicht. Denn da gibt es die großen Warenströme, die mit Schiffen und Flugzeugen transportiert werden und die Abholzung von Regenwald, gegen die der einzelne Gärtner nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist.
Das eigene Gemüsebeet
Sie haben es in Ihre vorherigen Antworten öfter wähnt und auch auf Ihrer Website finden sich diese Gedanken: Besonders in der heutigen Zeit sind Nachhaltigkeit und eine bewusstere Lebensweise von großer Bedeutung. Deswegen helfen Sie Menschen dabei, eigene Gemüsebeete anzulegen. Was sind denn die Vorteile eines eigenen Gemüsebeets, um nachhaltiger und gesünder zu leben?
Na, kurze Strecken, kurze Wege. Denn wenn wir im Garten anbauen, ernten wir vor Ort.
Wenn wir im Supermarkt und zusätzlich nicht regional kaufen, dann laufen wir Gefahr, dass unser Obst und Gemüse bis von Australien, Brasilien & Co (weit her auf jeden Fall) nach Deutschland transportiert wurde. Und das hinterlässt einen sehr großen CO2-Fußabdruck. Doch leider ist der Transport von weit her billiger, als regionale Ware hin und her zu befördern. Unglaublich, aber leider wahr. Wenn jemand auf Nachhaltigkeit Wert legt, dann ist ein eigener Gemüsegarten auf jeden Fall der erste Schritt.
Jetzt steht den Menschen ja, je nachdem wo sie wohnen, eine unterschiedliche Menge an Platz zum Pflanzen zur Verfügung. Lohnt sich ein Gemüsebeet auch auf kleinem Raum? Würde beispielsweise ein Balkon-Gemüsebeet auch schon etwas für mich bewirken?
Na klar. Tomaten, Radieschen, Salat und Kräuter selbst angebaut auf einem Balkon-Beet bedeutet selbst zu ernten, sich gesund zu ernähren und zu wissen, wo es herkommt. Außerdem spart man die Menge, die man selbst zur Verfügung hat, dann schon wieder an CO2 von weit her ein. Natürlich müssten sehr viele so denken. Ich finde es auch schön, wenn man das Gemüsebeet mit Kindern anlegt und sie für die Natur ein bisschen sensibel macht. Es ist nicht selbstverständlich, dass es wächst. Es braucht die Fürsorge und es braucht vor allem die Pflege. Nur so kann etwas wachsen und gedeihen.
Das ist ein Grundgedanke, den glaube ich viele verloren haben. Gerade in Deutschland sind Lebensmittel sehr günstig zu haben. Deshalb ist es selbstverständlich, dass das Supermarktregal voll ist. Essen ist nichts wert. Aber das Ernten nur geht, wenn die Voraussetzungen (Wasser, Licht, Wind, Boden etc.) passen und man sich um den Anbau, der oft auch sehr fordernd und arbeitsintensiv ist, kümmern muss, ist in Vergessenheit geraten.
Einkochen als Gefährte des eigenen Gemüsebeets
Irgendwann hat man sicher den Dreh raus und bekommt eine reichliche Ernte. Natürlich gewachsene Lebensmittel halten aber nicht ansatzweise so lange, wie industriell verarbeitete Güter. Um nicht einen Großteil seiner Erträge wegwerfen zu müssen, gibt es das sog. Einkochen. Was genau ist das und wie hilft es mir, die Lebensmittel, die ich produziere, länger haltbar zu machen? Wie lerne ich das Einkochen am besten?
Mit Einkochen meint man das Haltbarmachen von Obst und Gemüse, meist im heißen Wasserbad oder das heiße Einfüllen in Gläser oder Flaschen. Dabei wird in Gläsern eingekocht, die man dann über den Winter in seinem Vorratsschrank aufbewahrt. Somit lässt sich Obst und Gemüse aus dem eigenen Garten auch im Winter genießen. „Das Glück der Sonne im Glas im Winter genießen“ – so nenne ich das. Voraussetzung ist, dass man die richtigen Einkochzeiten und Einkochtemperaturen beim Einkochen beachtet und hygienisch arbeitet. Denn Hygiene ist das A &O. Anderenfalls zieht man sich die schlechten Mikroorganismen schon beim Einkochen mit. Und so kann es passieren, dass sich beim Öffnen eines Glases der Schrecken von Schimmel bewahrheitet oder einem beißender Geruch in die Nase zieht.
Am besten lernst du mit „Learning by Doing“, aber es ist hilfreich, sich schon vorher und während des Einkochens schlau zu machen. Deshalb habe ich auch einen Einkoch- und Fermentier-Kurs erstellt, mit dem du auch Checklisten und die richtigen Einkochzeiten und Temperaturen gleich an die Hand bekommst. Hier der Link zum Kurs: https://www.michaelas-agrarblog.de/einkochen-leicht-gemacht/. Das Großartige ist: Wenn du alles richtig machst beim Einkochen, dann halten die Lebensmittel über Jahre hinweg, wobei es natürlich eine Verbrauchsempfehlung gibt. Aber meine Erfahrung zeigt, dass das ohnehin keine große Rolle spielt, denn wenn es lecker schmeckt, ist im nächsten Jahr schon nichts mehr übrig. Eine Bitte habe ich aber dennoch: Wirf schlecht Gewordenes oder bei Dingen, wo du dir nicht sicher bist, immer sofort weg! Du trägst die Verantwortung über dich und deine Familie. Denn bei so was kann es sonst sehr böse Überraschungen geben.
Tipps
Bewässerung, Lichteinfall, Schädlingsbekämpfung: Es gibt viele Dinge, die man als Gärtner*in bedenken muss, vor allem, wenn es um Pflanzen geht, deren Früchte man konsumieren möchte. Worauf sollten Leser*innen, die sich auch als Gärtner*innen versuchen möchten, denn unbedingt achten, wenn sie sich ein eigenes Gemüsebeet aufbauen wollen? Welche klassischen Fehler sollten sie vermeiden?
Als erstes wäre es gut, wenn man sein Gemüsebeet nach Süden ausrichten kann. Denn viel Licht zur Beleuchtung ist immer von Vorteil. Schatten kann man leichter erzeugen (z.B. durch Anpflanzen von Pflanzen, die größer (in der Wuchshöhe) werden als das Gemüse, das man anbauen möchte). Doch natürlich gibt es auch Gemüsearten, die noch gut mit Schatten zurechtkommen. So z.B. die Kohlarten (Brokkoli, Blumenkohl, Kohlrabi) oder Spinat und Feldsalat. Am allerwichtigsten ist, dass die Bewässerung sichergestellt ist. Denn auftretende Dürremonate, die dieses Jahr auch wieder zu spüren waren und von der Dauer her variieren, sind nicht zu unterschätzen. Gerade z.B. Tomaten oder Gurken brauchen viel Wasser. Da hilft es unter anderem den Wasserhahn in der Nähe des Beetes zu haben. Schön ist es, wenn ein natürlicher Bachlauf oder Teich in der Nähe ist, aus dem man zur Not noch ein paar Gießkannen voll Wasser holen kann. Auf jeden Fall empfehle ich das Regenwasser zu sammeln. Auch große Wassercontainer (Maischefässer, Pulpe Fässer), in denen man Regenwasser sammelt, sind von Vorteil. Oft kann man die verschließen und Schläuche anschließen.
Es gibt noch einen Trick, wie man seine Pflanzen länger feucht hält: Das ist möglich, in dem man den Boden mit Mulch-Material bedeckt. So wird Wasser nicht so schnell verdunstet. Der andere Vorteil ist, dass nicht so schnell Unkraut hochwächst. Allerdings (und nun sind wir bei der Schädlingsbekämpfung) finden sich unter solch nassem Material sehr gerne die Nachtschnecken ein, die einem Gärtner schnell das Leben schwer machen, weil sie so ziemlich an allen jungen und leckeren Gemüsepflanzen und -blättern interessiert sind. Hier rate ich: Täglich kontrollieren und mit sog. „Schneckenkragen“ arbeiten, die man übrigens leicht auch selbst z.B. aus alten Joghurtbechern herstellen kann. Gegen Schädlinge hat sich auch das Anpflanzen von Mischkulturen (Erdbeeren neben Knoblauch) bewährt, die einander ergänzen und das Einhalten von Vorfrucht und Nachfrucht (man nennt es eine gesunde Fruchtfolge) sicherstellen. Allerdings ist das auf kleinstem Raum nicht immer leicht möglich. Kartoffel nicht neben Tomaten und Kohl nicht nach Kohl, das ist mal eine einfache Empfehlung. Es tut gut daran zu überlegen, welches Gemüse Sinn macht, das man z.B. gerne isst und welches man vielleicht nur alle 3 Jahre anbauen möchte.