Einstieg
Hallo und Herzlich Willkommen zu unserer Interviewreihe zum Thema Achtsamkeit. Heute haben wir Caroline Hess bei uns. Möchten Sie sich einmal kurz vorstellen?
Sehr gerne. Mein Name ist Caroline Hess, ich bin Mindful-Leadership Coach. Das beinhaltet eben Mindset und Leadership und dabei meine ich vor allem Selbstführung, also Self-Leadership, denn ich bin der Ansicht und der Überzeugung, dass wir uns erst einmal alle selbst führen lernen müssen, in dieser dynamischen und digitalen Welt, um dann letztendlich unser Umfeld beeinflussen zu können. Irgendwo tun wir das alle, egal ob Führungskraft oder nicht. Und in diesem Kontext beschäftige ich mich seit Jahren mit dem Thema Mindfulness, denn ich habe auch in meiner Arbeit herausgefunden, dass man wirklich diese Verbindung, diesen Connect zu einem selbst braucht. Dieses Runterfahren von den Reizen, was wiederrum diese Mindfulness schafft, durch verschiedene Tools, um dann wieder aktiv ins Handeln zu kommen und dann wieder in den Steuersitz zu kommen.
Vielen Dank, das hört sich sehr interessant an. Man sagt auch zum Beispiel immer, man muss achtsam sein, man muss das Leben in vollen Zügen genießen. Aber was bedeutet das eigentlich, achtsam zu sein?
Das stimmt, das sind immer schöne Kalendersprüche, die man überall gerne liest. Tatsächlich; was bedeutet denn Achtsamkeit wirklich? Und für mich bleibt diese Definition, die Aufmerksamkeit auf das Hier und Jetzt zu richten, auf diesen Moment. Für die, die das vielleicht nicht erreichen, gibt es verschiedene Tools, mit denen sie ihren Geist steuern können. Das wäre zum Beispiel Meditation oder auch der Flow Zustand, was ja auch ein trendiger Begriff geworden ist. In den Flow zu kommen, das heißt, in einem Tun, in einer Aktivität völlig aufzugehen. Auch dann steuern wir unseren Geist und kommen in der Achtsamkeit an. Alternativ wähle ich den Weg nicht über den Geist, sondern über den Körper und dann kann ich mithilfe von verschiedenen Tools wie Body Scans oder auch Yoga oder anderen Bewegungsarten oder den Sinnen und der Natur meinen Körper direkt ins Hier und Jetzt steuern und der Geist folgt dann quasi einfach.
Achtsamkeit im Alltag
Sie begleiten auch viele Unternehmen und unterstützen diese und coachen in vielen Bereichen. Sind Sie der Meinung, dass man das wirklich so antrainieren kann?
Ja das Schöne ist, dass unser Gehirn wirklich anpassungsfähig ist, das macht uns ja als Mensch aus, dass wir über Jahrhunderte, Jahrtausende hinweg so lernfähig und anpassungsfähig auf unsere Umwelt reagiert haben. Das Schlagwort hierfür ist Neuroplastizität. Das Gehirn kann sich immer wieder neu vernetzen, Synapsen neu bilden und das hat man jetzt mittlerweile nachgewiesen. Zum Beispiel für Google wurde viel gemacht und es wurden verschiedene Studien mit Mönchen durchgeführt, die zum Beispiel Meditation perfektioniert haben und man hat festgestellt in den Röntgenaufnahmen, dass wirklich Teile des Gehirns sich verändern. Dann hat man wiederrum nicht Mönche, sondern ganz normale Menschen wie du und ich für ein Experiment ausgewählt, wo sie innerhalb von drei Wochen, fünf Minuten Achtsamkeit-Praxis eingeübt haben. Da hat man dann schon Veränderungen sehen können im Bereich der Amygdala. Das ist der Bereich, der die Gefahren und Bedrohungen scannt und dieser Bereich hat sich verändert, also da kann man echt viel trainieren. Das ist wie ein Muskel, den wir im Fitnessstudio trainieren können. Schlüsselwort ist hier Kontinuität, also eher wie ein Marathon statt Sprint.
Achtsamkeit im Beruf
Also im Unternehmen oder im Berufsleben hat man irgendwie immer am meisten Stress. Und da Sie bestimmt schon viele Unternehmen besucht haben und sich das angeschaut haben: Meinen Sie, dass die Unternehmen und die Führungskräfte etwas mehr zu Stressbewältigung ihrer Mitarbeiter beitragen könnten?
Absolut, wie ich gesagt habe, fängt es immer bei einem selbst an. Ich glaube auch die Führungskräfte, dass erlebe ich in meinem Berufsalltag sehr häufig, die in „Sandwich Positionen“ zum Beispiel im Mittelmanagement die Teams führen aber auch wiederrum im Management Bereich angegliedert sind, häufig ganz viel Druck mit sich tragen und diesen dann auch weitergeben. Natürlich wird der Druck auch irgendwo verteilt und wenn da die Führungskräfte in ihre eigene Wahrnehmung kommen, ihre eigene Achtsamkeitspraxis fördern und auch lernen, dann ist es möglich ganze Teams anzuleiten und das auch weiterzugeben. Ich habe da schon viel erlebt, dass die Führungskräfte viel umsetzen und so ihr Team und ganze Bereiche umstrukturieren konnten. Deswegen liebe ich, was ich tue; weil ich den Effekt spüre, den es hat.
Stress im Alltag
Das hört sich großartig an. Vielleicht noch etwas allgemeiner, was denken Sie woran es liegt, dass die Menschen in der heutigen Zeit viel stressanfälliger werden?
Ja, vielleicht haben sie schon mal, was von dem Wort „Vuka-Welt“ gehört. Also „Vuka“ steht für volatil, ungewiss, komplex und ambivalent und das bezeichnet wirklich unsere globalisierte, dynamische und digitalisierte Welt, dass jeder einfach in Sekundenschnelle vernetzt ist. Was ab und zu passiert, ist, dass auf uns ganz, ganz viele Reize einprasseln und letztendlich haben wir eigentlich noch ein Gehirn, das uns ausstattet mit Wahrnehmungen, die vor vielen tausend Jahren existierten; also unsere Gehirnentwicklung ist da gar nicht wirklich mitgekommen. Da ist es das Problem, wenn wir auf die letzten 100 Jahre schauen, die Arbeitswelt hat sich komplett gedreht. Die Industrialisierung kam und hat sich dann von dieser Fabrik/Industrie Welt jetzt weiterentwickelt zu dieser Wissensgesellschaft, Informationsgesellschaft, Dienstleistungsgesellschaft. Man braucht sich nur die Entwicklung der Handys oder technologischen Geräten anschauen. Es exponenziert sich Jahr für Jahr, was sich alles weiterentwickelt.
Und um da mithalten zu können, braucht es immer mehr Schnelligkeit und dazu sind wir einfach nicht ausgelegt und gerade deshalb braucht es eben diesen Gegensatz, diese Balance von „wie komme ich wieder selbst in meine Führung mit allem drum herum“. Natürlich können wir jetzt sagen „schöne alte Welt“ und uns alles wieder schön machen, wie wir es mal hatten. Aber es gibt super viele fantastische Dinge in diesen neuen Entwicklungen und letztendlich sollte man lernen, das zu akzeptieren, damit umzugehen und diese gerade richtig gut zu nutzen, denn gerade da entsteht auch enormes Wachstum und Raum für Möglichkeiten. Denn es gibt zwei Trends, in denen wir uns entwickeln, der eine ist Hightech, also KI und Automatisierung, Industrie 4.0 und das andere ist High-Touch. Das haben wir auch gerade in den Pandemie Zeiten gelernt, wenn wir uns nur noch auf Hightech konzentrieren, dann verlieren wir etwas Menschliches. Also wir sind auch einfach menschliche Wesen, die Bedürfnisse haben nach sozialem Wesen, nach Austausch und die sich nach sozialer Nähe sehnen. Diese zwei Wege zu verbinden, diese zwei Bedürfnisse, dies wird mit Sicherheit das Ziel der nächsten Jahre sein.
Vielen Dank
Vielen Dank, dass Sie ein paar Tipps mit uns geteilt haben und uns etwas in Ihre Welt eingeführt haben.
Ja sehr gerne, ich unterstütze das Thema und verbreite es, wo ich nur kann und ich glaube wirklich, dass es uns weiter in der Zukunft helfen kann und uns weiterentwickelt und uns viele Möglichkeiten und Raum eröffnet.