Einstieg
Im Rahmen unserer Interview Reihe „Entspannen wie die Profis“ sprechen wir heute mit Eva Scheucher. Sie arbeitet selbstständig als Mental Coach und beschäftigt sich vor allem mit den Themen Achtsamkeit, Selbsterfahrung und der systemischen Aufstellungsarbeit. Herzlich willkommen Frau Scheucher, möchten Sie sich erstmal selbst vorstellen?
Hallo und vielen Dank für die Einladung zum Interview. Sie haben mich schon hervorragend vorgestellt, ich bin tätig im Bereich Persönlichkeitsentwicklung, Achtsamkeit und begleite seit ungefähr 10 Jahren Menschen in diesem Bereich. Ich komme ursprünglich aus der Personalentwicklung/ Personal Management, habe mich aber dann durch die Beschäftigung und Auseinandersetzung mit dem Thema Achtsamkeit dafür entschieden, dass das der eigentliche Bereich ist, in dem ich tätig sein möchte. Nämlich Menschen dabei zu begleiten, ihr Leben bewusster so zu führen, wie sie es gerne hätten.
Im Zuge ihres Studiums verschlug es Sie nach Österreich, Irland und Chile. Wie waren diese Erfahrungen für Sie und inwiefern haben Sie ihren Geist bereichert, vor allem im Hinblick auf das Thema Achtsamkeit?
Die Erfahrungen an unterschiedlichen Orten zu studieren, war eigentlich der wesentliche Aspekt an meinen Studium, würde ich sagen. Die Erfahrung hat mir nämlich die Perspektive aufgemacht, das es nicht nur meine Sicht gibt und mit 18-19 Jahren ist es eine wichtige Erkenntnis, dass nicht meine Überzeugungen und meine Wahrheit die absolut richtigen sind. In Chile und in Irland habe ich mit ganz unterschiedlichen Menschen aus unterschiedlichen Kulturen zusammenleben und arbeiten dürfen und habe so eindrücklich erkennen dürfen, dass wir ganz unterschiedliche Herangehensweisen, Überzeugungen und Kommunikationsformen haben können. Mein richtig und falsch und meine Art, wie ich die Dinge lösen würde, waren augenscheinlich nur einer von vielen möglichen Zugängen, die man haben kann, um Probleme zu lösen und Dinge anzugehen. Und das ist ein wichtiger Effekt von Achtsamkeit für mich, diese eigenen Bewertungen zu erkennen und dann aber ernst zu nehmen, dass es ganz andere Überzeugungen, Wahrheiten und Lösungsstrategien gibt.
Sport und Yoga
Sie haben selbst längere Zeit Ausdauersport betrieben und sich beim Mittel- und Langdistanz-Triathlon ausgetobt. Was würden Sie sagen? Welche Chancen und Möglichkeiten bieten Sport und Yoga in Ihren Augen Menschen, die unter Stress und Überlastung leiden?
Also auf jeden Fall würde ich sagen, dass ich selbst im Ausdauersport und im Triathlon lange Zeit unbewusst war in der Ausübung und das dann natürlich Menschen dann nicht empfehlen kann, die sich gerade in stressigen Situationen befinden und die sich noch nicht so in der Selbstreflektion bewegen. Tatsächlich kann man seine Muster und Antreiber ganz perfekt im Sport ausleben und sich damit nichts Gutes tun kann. Mein Beispiel ist eben der Triathlon Sport, wo ich meinen Ehrgeiz und meinen Wettbewerbsgedanken ganz perfekt habe ausleben dürfen und dann ernüchtert festgestellt habe, dass mir der Sport das, worauf ich da hingearbeitet habe, gar nicht hat liefern können.
Anerkennung, Glücksgefühle, Zufriedenheit hat sich dort nie eingestellt, weil ich es sehr unbewusst durchgeführt habe. Ich denke jedoch, dass Menschen, die sich einer belastenden Situation befinden, egal welche Bewegung nutzen sollten, um die fehlende Balance, die durch Stress entsteht, wieder auszugleichen. Wichtig ist aber die Bewegung auf eine ganz bewusste Art und Weise, auf eine genussvolle Art und Weise zu erleben und am besten Bewegung zu wählen, die die eigenen Gedanken fesseln kann. Bewegung, die komplexe Bewegungsabläufe beinhaltet oder ein Spiel, wo man sich ganz und gar in dem Spiel verlieren kann, um den Geist hin und wieder abzulenken. Da kann man dann ganz versinken in den Handlungen, die man gerade ausübt. Dafür ist das Klettern gut, das Golfen, das Tennis spielen.
Darüber hinaus ist Yoga speziell geeignet, weil in jeder Yoga-Einheit der Teilnehmende dazu angehalten wird, die Wahrnehmung einmal wirklich in sich selbst und in seinen Körper hineinzuholen. Das wird mehrmals während der Yogapraxis gemacht und das ist eine ausgezeichnete Übung für den Alltag. Je öfter man es macht, desto leichter kann man es auch in seinem Alltag integrieren. Man kann leichter ganz bei sich ankommen, wahrnehmen, was man jetzt braucht, was einem jetzt gut tun würde und wo jetzt gerade die eigenen Grenzen sind. Man kommt beim Yoga an seine Grenzen und nimmt die ganz bewusst wahr und das hilft auch, diese Grenzen im Alltag wahrzunehmen, im Stress und im Beruf, sodass man darauf reagieren kann. Hier schadet es nicht, wenn man das ganz bewusst immer wieder im Sport und im Yoga übt.
Probleme im Alltag
Es gibt viele Hindernisse, die eine Person mental und physisch herausfordern können. Welche Arten von mentalen Problemen beobachten Sie in Ihrem Beruf am häufigsten? Wobei suchen sich Menschen am ehesten Hilfe bei Ihnen?
Die Frage ist tatsächlich nicht so einfach zu beantworten, weil die Probleme der Menschen, die zu mir kommen, so individuell sind wie die Menschen selbst. Es gibt aber einen gemeinsamen Nenner. Ich spreche da immer von so einem Käfig, in dem die Menschen sitzen, den sie aber nicht sehen. Dieser Käfig baut sich zusammen aus frühen Geschichten und Überzeugungen und einschränkenden Dingen, die sie zu sich selbst sagen oder die sie von anderen gehört haben. Diese Gitterstäbe haben ihr gesamtes Verhalten bis jetzt bestimmt. Ich sage das mit dem größten Respekt vor dem Leidensdruck der Menschen, den sie über Jahre erlebt haben durch ihre Überzeugungen.
Das sind oftmals unangenehme Erfahrungen von früher, die sich bis heute verfestigt haben und immer wieder bestätigen. Diese Überzeugungen prägen ihr Verhalten über Jahre und Jahrzehnte und führen dann eben zu ganz individuellen Problemen im Alltag. Zum Beispiel die Überzeugung, dass ich selbst nicht so stark bin, wie andere, weil ich beispielsweise ein Mädchen bin und alle Jungen um mich herum sowie meine Brüder alle viel stärker sind als ich. Wenn ich mit dieser Überzeugung durch mein Leben gehe, dann werde ich ganz oft auf den Punkt treffen, wo ich glaube, dass ich für die bevorstehende Herausforderung einfach nicht stark genug bin und es deswegen gar nicht erst versuche. Es gibt auch oft die Überzeugung, dass man keinen Erfolg verdient hat und nicht erfolgreicher sein darf als andere. Es gibt also ganz viele Grenzen und Einschränkungen für Menschen in ihrem Privatleben, die sie selbst nicht sehen können.
Die Arbeit, die ich dann mit den Menschen machen darf, ist, diese Geschichten und Überzeugungen aus der Vergangenheit erstmal als solche zu enttarnen. Aufzuzeigen, dass es einen Ursprung und einen Grund gibt, warum sie diese Überzeugungen in sich verfestigt haben, aber dass es eben nur eine Geschichte ist, die sie sich selbst erzählen. Und dann helfe ich den Menschen dabei, zu erkennen, dass diese Überzeugungen nur eine Geschichte sind und wenn sie nur eine Geschichte sind, dann können sie ja vielleicht dieses Mal etwas anders machen. Das Erkennen des Käfigs ist gleichbedeutend mit dem Auflösen des Käfigs bzw. des Austretens aus diesem Käfig und die Entscheidung „heute mach ich es anders, heute gehe ich es anders an“.
Tipps
Es liegt Ihrer Antwort zufolge also sehr viel Macht bei den Menschen selbst. Ich bin mir sicher, dass wir einige Zuhörer haben, die sich inspiriert fühlen, nun auch besser auf sich achtzugeben. Was würden Sie ihnen als Einstieg in das Thema empfehlen, wie fängt man am besten an, sich um sich selbst zu kümmern?
Da würde ich sagen, dass das „Wie“ ziemlich egal ist; Hauptsache, man fängt an. Es ist egal, welchen Weg man wählt. Ob es jetzt eine Leidenschaft ist, die man irgendwann mal gehabt hat aber keine Zeit hatte, sie auszuleben und wieder aufgreift. Ich habe zum Beispiel kürzlich wieder mit dem Klavier spielen angefangen. Oder man nimmt sich Zeit für etwas in seinem Kalender, für das man sich lange keine Zeit genommen hat. Man kann auch generell mehr Verständnis für sich selbst entwickeln; seine Muster und Gedanken verständnisvoll annehmen und beobachten. Das Wichtigste ist, dass man auf die Suche nach dieser kleinen Stimme in einem selbst geht, die sagt „Ich will etwas, ich will das machen“. Wenn man herausfindet, was es ist, das man tatsächlich will und dem ein nachgeht, dann ist das der erste wichtigste Schritt und von dort aus ist dann alles möglich, um zufriedener und selbstbestimmter durch sein Leben zu gehen.