Einstieg
Hallo Frau Klinger, vielen Dank, dass Sie sich Zeit genommen haben, um uns als Experte zum Thema “Garten” ein paar Fragen zu beantworten. Sie führen “das wilde Gartenblog”, auf dem Sie sämtliche Themen rund ums Gärtnern thematisieren. Dabei ist Ihr Herz besonders dem naturnahen Gärtnern verfallen, weswegen sie die Menschen rund um diese Art des Gartens informieren.
Für viele Menschen ist der eigene Garten ja zweifelsohne ein Ort der Entspannung und des Austauschs mit der Natur. Welche Rolle spielt der Garten und alle Arten von Pflanzen, die sich darin finden, denn für Sie persönlich?
Eine große Rolle! Ich verbringe die Tage ansonsten im Home-Office, schaue auf Bildschirme, wechsle auch mal zum TV: Der Garten hält mich im physischen Leben! Mit dem Fahrrad hin und wieder zurück, das ist schon mal ein bisschen Bewegung.
Im Garten vergesse ich die Online-Welt und meine beruflichen Aktivitäten; ich bin in Kontakt mit der Erde, den Pflanzen, arbeite auch mal körperlich. Ich sitze aber auch gern mit dem Liebsten oder Freunden zusammen und philosophiere über alles, was so passiert. Im Garten hab’ ich eine andere Distanz, bin entspannter, die Gedanken sind freier und ich schaue tiefer – irgendwie… 🙂
In Ihrer Antwort scheint durch, dass das Schöne am eigenen Garten die Integration der Natur in den eigenen Haushalt ist. Man vereint sich auf besondere Art und Weise mit der Welt um einen herum. Für Sie steht dabei vor allem das naturnahe Gärtnern im Vordergrund. Was genau ist das naturnahe
Gärtnern und wodurch zeichnet es sich im Vergleich zu herkömmlichen Gartenkonzepten aus?
Ein weites Feld, da könnte man ein Buch drüber schreiben. Deshalb nur kurz: Keine nackte Erde! Wiese statt Rasen. Kompostieren, Mulchen, Wildkräuter wachsen lassen, wo sie nicht stören. Totholzhaufen und alte Baumstammteile, sowie Steinbeete auf Steinhaufen bieten heimischen Insekten und Kleintieren Unterschlupf. Das alles strukturiert den Garten auch optisch.
Für uns gehören vor allem heimische Pflanzen zum naturnahen Garten: vornehmlich solche, die auch Bienen und Wild-Insekten etwas bieten: als „heimisch“ sehen wir ganz unideologisch alle Pflanzen an, die hierzulande selbständig überleben können. Verdorrte Samenstände lassen wir stehen, denn Insekten überwintern in den hohlen Stängeln von Stauden – zudem sehen einige richtig gut aus!
Der Garten in Zeiten der Dürre
Der Garten ist also für viele Erlebnisse in Ihrem Leben der zentrale Mittelpunkt. Dementsprechend wohl muss man sich fühlen, um seine Sorgen hinter sich lassen zu können. Leider kommt folgendes Szenario in den letzten Jahren immer wieder vermehrt vor: Beim allmorgendlichen Blick aus dem Fenster auf den eigenen Garten sieht man statt einer schönen, bunten Farbenpracht vor allem ein ungesund wirkendes Farbgemisch aus gelb und braun. Um so etwas zu vermeiden, greifen viele Leute bei dem kleinsten Anzeichen von Dürre nach dem Wasserschlauch und begießen ihren Garten ausgiebig. Ist das fehlende Wasser denn wirklich so unglaublich schädlich oder kann man mit zu viel Wasser und Gießen sogar mehr kaputt machen als retten?
Unseren Garten sehen wir leider nicht vom heimischen Fenster aus, aber das hat wie gesagt auch etwas Gutes (Bewegung!). Aber zur Frage: Den Garten macht man mit “zuviel Wasser” in der Dürre sicher nicht kaputt, dafür verschärft man die Dürre anderswo. Wenn die Regierenden aus nachvollziehbaren Gründen schon darüber nachdenken, das Sprengen tagsüber zu verbieten, weil sich ein ernster Wassermangel anbahnt, dann gehe ich doch nicht her und drehe den Hahn auf!
Was heißt das konkret? Nehmen Sie das potenzielle Austrocknen und Absterben aller Pflanzen in Ihrem Garten einfach in Kauf?
Nein, nicht von allen. Unser Garten ist “naturnah” gestaltet – und wenn in der Natur Dürre herrscht, dann auch in unserem Garten. Wir sprengen den Garten nicht wie unsere Nachbarn, sondern gießen die Nutzpflanzen und manche Staude mit der Kanne. Ab und zu bekommen die Hecken und Sträucher Wasser über den Schlauch, ein eher seltener Einsatz, aber notwendig.
Die Wege und kleinen Plätze, die im Frühjahr den Eindruck einer kurzen Wiese machen, sind mittlerweile strohtrocken. Für mich ist das echtes Sommerfeeling! Mich erinnert der trockene Garten an Sommerurlaube in Italien, da war auch immer alles vertrocknet und verdorrt. Manchmal duftet es auch wie im Süden, so ein Hauch von Macchia! Wir sparen so jede Menge Wasser und natürlich auch Wassergeld.
Diese heißen und trockenen Sommer werden in den kommenden Jahren wohl eher zu- als abnehmen. Was raten Sie denn den Menschen, damit sie auch bei potenziellen Dürreperioden einen möglichst gesunden Garten haben? Was sollte man anpflanzen und wie sollte man die Pflanzen gießen und pflegen?
Wer Gemüse anbaut, muss es natürlich gießen, düngen und pflegen. Nicht täglich ein bisschen gießen, sondern alle paar Tage (je nach Wetter) durchdringend! Bei allen anderen Pflanzen, die man in den Garten holt, ist es am allerwichtigsten, dass sie zum vorhandenen Boden und zum Klima passen.
Wir haben einen sandigen Boden, der zu Trockenheit neigt. Den kann man natürlich verbessern (Kompost, mulchen), aber man wird nie einen tollen humusreichen “fetten” Gartenboden daraus machen. Dennoch gibt es viele Pflanzen, die damit zurechtkommen. Im Blogartikel “Welche Pflanzen für sandige Böden” haben wir Stauden, Sommerblumen, Kräuter und Sträucher gelistet, die sich für einen solchen Standort eignen.
Wer angepasste Gewächse pflanzt, hat übrigens auch deutlich weniger Arbeit! Heimische Wildkräuter lassen wir auch wachsen, einige davon blühen wunderschön. Und nicht vergessen: Wir sind nicht die einzigen Gartennutzer! Vögel, Eidechsen, Insekten aller Art und sogar Kröten brauchen auch Lebensraum und Nahrung.
Bestandteile des Gartens
Ein Garten besteht aus vielen Elementen und nicht nur aus den klassischen Pflanzen in ihren Beeten. Bäume, beispielsweise, werden oftmals vernachlässigt, wenn es um das schöne Gesamtbild eines Gartens geht, aber verleihen durch ihre Beständigkeit jedem Garten einen Hauch von Ewigkeit. Was genau gilt es bei der Baumpflege zu beachten? Was sollte man unbedingt tun, um seine Bäume gesund und munter in allen Jahreszeiten zu halten?
So allgemein kann ich die Frage nicht beantworten, denn jeder Garten ist anders. Wir haben z.B. keine Waldbäume, aber Büsche und locker gestaltete Hecken aus heimischen Wildsträuchern: Wild- und Sandrosen, Kupferfelsenbirne, Flieder, Hartriegel, Liguster, Hasel, Heckenkirsche – und manches, was sich so eingefunden hat. Im Spätherbst beschneiden wir alles, was zu hoch wächst, nicht mit der E-Heckenschere, sondern händisch und wählerisch: nicht so, dass dann alles “wie abrasiert” aussieht, sondern die natürliche Form erhalten bleibt. Dauert eine Dürrephase sehr lang, gießen wir auch mal mit dem Schlauch. Durchdringend, aber selten.
Als Herzstück steht und fällt so ziemlich jeder Garten mit dem Rasen. Umso ärgerlicher, wenn irgendwas mit der grünen Farbenpracht nicht in Ordnung ist. Welche Tipps haben Sie denn für die Pflege eines ausgeglichenen und gesunden Rasens? Welche üblichen Fehler sollten dringend vermieden werden?
Kein Rasen ist der besten Rasen! In Zeiten des Klimawandels ist es zunehmend unsinnig, unbedingt einen Rasen haben zu wollen. Wir sind aber nicht nur ums Klima besorgt, sondern auch faule Gärtner: Rasen sprengen, düngen, vertikutieren, neu ansähen – nein danke! Was beim Vorpächter noch Rasen war, ist bei uns jetzt eine Wiese mit Wildkräutern und Moos, aber immer noch vielen Gräsern. Diese Bereiche mähen wir nach Bedarf, auch, um Mulch für die Beete zu gewinnen. Ansonsten darf da alles wachsen wie es mag.
Technologische Hilfe in der Natur
Wenn man sich dennoch einen Rasen halten möchte, dann sollte dieser eine gesunde Länge zeigen. Gerade in der heutigen Zeit, wo aber das geschäftige Leben den Menschen nicht immer erlaubt, so viel Zeit in ihren Garten zu stecken wie sie wollen, sind Erleichterungen in der Gartenarbeit immer gerne gesehen. Besonders beliebt ist dabei der Mähroboter, der autark über den Rasen hinwegrollt und diesen kürzt. Was ist Ihre Meinung zu Mährobotern? Können diese wirklich die manuelle Rasenpflege vollständig ersetzen oder sind diese kleinen Helferlein mit Vorsicht zu genießen?
Bei Mährobotern wird gerne vergessen, dass man erstmal überall Begrenzungskabel verlegen muss, damit der Robot erkennt, wo er nicht mähen darf. Auch Modelle mit Sensoren benötigen ganz klare Abgrenzungen, etwa Pflastersteine, um sich zu orientieren. Bei uns wäre das nicht machbar, schon wegen der naturnahen Gestaltung!
Davon abgesehen lässt der Mähroboter den Rasenschnitt auf dem Rasen liegen, den wir zum Mulchen der Beete benötigen. So selten wie wir mähen, macht das Mähen mit dem E-Rasenmäher durchaus Spaß. Darüber hinaus kann man auch gezielt um und unter Büschen mähen, Unebenheiten sind kein Problem.
Perfektionistischer Zen-Garten als Alternative
Dabei ist der naturnahe Garten ja weniger pflegeintensiv als andere Gartenformen, die weit mehr als einen Mähroboter benötigen. Auch wenn Sie persönlich Verfechterin des naturnahen Gartens sind, können Sie auch den Reiz eines Zen-Gartens nachvollziehen. Was genau ist ein Zen-Garten und welche Vorteile bietet er im Vergleich zum naturnahen Garten? Wie kann er den Menschen bei der Entspannung helfen?
Ich kann den Reiz verstehen, aber nichts läge mir ferner als der Versuch, einen Zen-Garten anzulegen. Schon ein paar fallende Blätter zu viel im Herbst – und schon ist die Harmonie Geschichte! Der Zen-Garten entstand als spirituell motivierte Praxis von Mönchen, die sich beim Rechen des Sandes und in Betrachtung der puristischen Struktur meditativ versenken konnten. Als Stadtmensch entspannt mich lebendige Natur in all ihrer Vielfalt viel eher als der Blick auf eine bis ins letzte Detail kontrollierte und “bereinigte” Gartenlandschaft.
Tipps
Sie haben viele Aspekte genannt, auf die man achten kann, um den Garten zu einem gesünderen und natürlicheren Umfeld zu machen. Für alle, die jetzt Lust bekommen, ihren eigenen Garten auf Vordermann zu bringen, aber die nicht wirklich glauben, dass sie einen grünen Daumen haben – welchen Tipp würden Sie ihnen mitgeben? Wie starten sie richtig in die Gestaltung ihres eigenen Traumgartens?
So verschieden wie die Menschen sind auch die “Traumgärten”. Der Geist des “Auf-Vordermann-Bringens” ist unserem Herangehen geradezu entgegen gesetzt! Als wir unseren Garten übernahmen, bestand er aus kahlen Beeten, gejäteten Sandwegen und hier und da einer Gemüsepflanze oder Zierstaude. Wir haben erstmal alles wachsen lassen, um zu sehen, was von selbst kommt. Großartig, wie schnell sich das begrünt hat! Wer vom naturnahen Garten träumt, sollte erst einmal kennen lernen, was die Natur im Garten so macht – und dann nach und nach hinzufügen, was noch gut passen könnte, ausgehend von Klima und Bodenqualität.
Fürs Auge ist Strukturierung wichtig: Kleine Hügel, Holzhaufen und Steinbeete, zum Ort passende Sträucher und Bäume – und vielleicht auch Gartenkunst, wenn man etwas wirklich Schönes findet. Als Tipps für unsere Art des naturnahen, aber auch faulen Gärtnerns haben wir die “7 Regeln für faules Gärtnern” entwickelt. Die letzten 3 Regel zitiere ich mal:
1. Regel: Verschreibe dich nicht mit Haut und Haaren einer Ideologie! Die Ausrichtung auf 100% Öko, Bio, Perma, Japanisch etc. kann leicht zum Fulltime-Job werden und Fanatismus ist auf jeden Fall ein Stimmungskiller. Gestalte, was du gestalten willst, aber führe keinen Krieg!
2. Regel: Gib den Dingen, die du ändern willst, gute Start-Chancen, aber bleibe gelassen, wenn sie sich nicht so entwickeln, wie du es dir gedacht hast.
3. Regel: Erkenne dich selbst als Teil des Biotops! Der Garten ist nicht allein für die Pflanzen und Tiere da, sondern dient auch deiner Erholung. Es ist in Ordnung, dir den Platz zu nehmen, den du brauchst, um dich wohl zu fühlen!