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Interview mit Ute Gigler

Zuletzt aktualisiert am 29. September 2022 von vik_admin

(Bio)
Ute Gigler
Schriftzug in Schreibschrift "Just Relax"
Wir sprechen heute über das Konzept der Achtsamkeit und wie man mit ihr mehr Entspannung in seinem Alltag finden kann. Dazu haben wir Ute Gigler im Interview.
httpv://www.youtube.com/watch?v=oQ5D2PBAsv8
Ute Gigler

Einstieg

Im Rahmen unserer Interviewreihe „Entspannen wie die Profis“ sprechen wir heute mit Ute Gigler. Sie arbeitet als Naturcoach und trainiert Menschen im konstruktiven Umgang mit Stress. Herzlich willkommen Frau Gigler, möchten Sie sich erstmal selbst vorstellen?

Ja, vielen Dank. Mein Name ist Ute Gigler. Ich bin Naturcoach und Resilienz Trainerin, das heißt, ich arbeite täglich mit Menschen draußen in der freien Natur oder in Parks und helfe ihnen, dort ihre Anliegen zu bearbeiten und Stress abzubauen. Inn erster Linie arbeite ich auch mit Bewegung in der Natur und führe Achtsamkeitsübungen durch.

Danke für die Vorstellung. Sie haben davon gesprochen, dass Sie viel in der Natur sind. Wahrscheinlich spielt auch Bewegungen da eine große Rolle. Bereits vor 5 Jahren haben Sie sich zum Beispiel im Skifahren und Tennis spielen geübt und später entdeckten sie auch Volleyball für sich. Wie wichtig ist denn persönlich Sport in Ihrem heutigen Alltag und was würden Sie sagen, welche positiven Auswirkungen kann er generell auf Menschen haben?

Ja, Sport ist nach wie vor ein wirklich wichtiger Lebensbegleiter für mich. Er ist praktisch mein Lebenselixier und sehr wichtig in meinem Alltag. Für mich gehört da derzeit flottes Gehen, Wandern, Bergsteigen, Radfahren, Mountainbiken dazu und im Sommer auch Beach Volleyball. Im Winter sehr gerne Langlaufen und Ski fahren. Und ich mache immer wieder die Erfahrung, dass mich Sport und Bewegung generell sehr schnell auf andere Gedanken bringt. Es macht mir Freude, es entspannt mich. Jeglicher Stress, den ich vielleicht vorher erlebt habe, fällt regelrecht ab von mir und manchmal empfinde ich es sogar so, dass gewisse Lösungen für Themen, die so in meinem Kopf herumschwirren, ganz von alleine aufkommen, während ich mich bewege.


Achtsamkeit im Alltag

Sie haben jetzt gerade in Ihrer Antwort sehr schön erwähnt, dass Sie sehr gerne auch wandern gehen und eben auch Zeit in der Natur verbringen. Auch, wenn sie es schätzen, mit anderen Leuten zu kommunizieren, begeben Sie sich auch gerne mal so ein bisschen in die Einsamkeit. Sie haben in den Vereinigten Staaten von Amerika Ihre Liebe zum Backpacking gefunden und noch heute wandern Sie gerne in unberührter Natur. Dabei ist die Entfernung zur klassischen Zivilisation nicht nur Thema in Ihrem Privatleben, sondern auch in Ihrem Beruf. Welche Bedeutung hat die Natur für den Menschen und welche Möglichkeiten bietet Sie, mit Stress und Problemen klarzukommen?

In der Natur, in einer natürlichen, meist grünen Umgebung, fühlen sich alle Menschen praktisch sofort wohl. Wir können uns entspannen, wir bauen ganz automatisch Stress ab. Diese Umgebung hilft uns zu regenerieren, die Stimmung verbessert sich. Man kann sich das besonders schön vorstellen, wenn man zum Beispiel einen Wald Spaziergang machen will. Wir nehmen mit allen Sinnen war, was wir dort erleben. Also wenn sich jemand einen Spaziergang nach einem Sommer Regen in einem Wald vorstellt, dann riecht er regelrecht das Moos und die Nadeln. Kurz gesagt bietet uns die Natur sehr, sehr viel, um unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit zu verbessern. Es ist bewiesen, dass wir schon nach einem 15-minütigen Spaziergang im Grünen, zum Beispiel in einer Mittagspause, entspannter werden und unser Blutdruck sinkt. Die kognitiven Fähigkeiten, also unser Denken, unsere Kreativität, verbessern sich ebenfalls nachhaltig durch Aufenthalte in der Natur.

Also es geht auch so ein bisschen darum, irgendwie zu den körperlichen und geistigen Wurzeln zurückzukehren, wenn man sich auf eine Tour begibt und sich da so ein bisschen fallen lässt. Das sind ja auch Themen, die beim Yoga und den Achtsamkeitsübungen wichtig sind und die beiden Sachen sind ja auf jeden Fall Begleiter des täglichen Alltags für Sie. Was verstehen Sie denn persönlich unter Achtsamkeit und inwiefern ist sie eine praktische Denkweise, um selbst resilienter zu werden?

Für mich ist es die bewusste Konzentration auf eine Sache, eine Tätigkeit oder auf Gedanken. Ich kann mich etwa mit mir selbst auseinandersetzen, zum Beispiel mit meinem eigenen Atem, mit meinem eigenen Körper. Da gibt es ganz viele Übungen wie den „Body Scan“, die man leicht praktizieren kann. Das Wichtigste bei der Achtsamkeit ist, im gegenwärtigen Moment zu sein , ohne Urteil und absichtslos. Aber leider ist das eben nicht immer so einfach. Man braucht durchaus eine Zeitlang, bis man das erlernt und sich daran gewöhnt hat. Aber für mich ist dieses „achtsam sein“ und dieses „mich täglich immer wieder auch selbst daran zu erinnern“ ganz toll, weil es mich entspannt und mir dadurch im Laufe des Tages mehr Energie verleiht. Yoga ist natürlich eine ganz wunderbare Kombination aus körperlichen Übungen, Atemkontrolle und Fokus auf den eigenen Geist. Yoga berührt das Nervensystem und man wird körperlich stärker. Dieses Gefühl für achtsame Momente können aber viele Menschen auch beim Malen oder Musizieren erleben oder wenn ich spiele und mich intensiv auf etwas konzentriere. Also mit anderen Worten, es ist ganz, ganz wichtig, dass man die Achtsamkeit in den Alltag einflechtet, um resilienter zu werden und dann wieder beginnt, etwas mehr im Hier und Jetzt zu sein. Verschiedene Übungen können dabei ebenfalls sehr hilfreich sein.


Stressoren

Ja, da kommen wir auf jeden Fall nachher nochmal zu, zum Ende des Interviews, was man da machen kann. Auch wenn jeder von uns Stress erlebt, sind die Gründe hierfür äußerst subjektiv. In Ihrer Arbeit helfen Sie Leuten, ihre persönlichen Stressoren zu finden. Welche Arten von Stressoren gibt es überhaupt und wirken sie sich alle gleich auf die Person aus?

Es gibt einige Unterteilungen. Die bekannteste ist vielleicht, dass der positive Stress „Eustress“ und der negative Stress „Distress“ genannt wird. Das heißt, Stress an sich muss nicht negativ sein und ist es auch nicht. Positiver Stress bedeutet ganz einfach, dass ich dann mit meinem Körper in einer bewussten Aufmerksamkeit bin; ich kann mich konzentrieren, mein rationales Denken funktioniert, ich befinde mich emotional in Balance und ich bin aktiviert. Wenn ich nämlich keine Aktivierung in meinem Körper verspüre, dann schaffe ich es auch nicht, irgendwelche Tätigkeiten zu machen. Bei Distress kann einem aber alles zu viel werden. Das ist der Stress, wo man leicht panisch werden kann, oder sich schlecht orientiert. Wichtig ist auch, die latenten Stressoren zu erkennen;dazu gehört zum Beispiel Covid oder der Krieg in der Ukraine, der Klimawandel oder auch eine physische Umgebung, in der man lebt und die uns vielleicht zu anstrengend ist. In Bezug auf unser Stresserleben finde ich eine Unterteilung in physikalische beziehungsweise psychosoziale Stressoren hilfreich. da kann ich versuchen mir selbst zu überlegen, „ja, wo liegen denn meine Stressoren?“ Zu den physikalischen gehören natürlich zum Beispiel Lärm, schweres Heben oder langes Stehen . Und zu den psychosozialen Stressoren gehören ganz viele Dinge wie zum Beispiel Leistungsdruck oder auch Zeitdruck in der Arbeit und wie ich dann tatsächlich damit umgehe. Konflikte in der Familie, die auftreten sowie auch existenzielle Probleme wie Geldnöte gehören ebenfalls in diesen Bereich.

Etwas zu fühlen und etwas benennen zu können, sind zwei verschiedene Dinge. Selten treten Menschen in einer angespannten Situation einen mentalen Schritt zurück und analysieren sich selbst. Wie erkenne ich meine ganz eigenen Stressoren?

Ja, das ist ein sehr, sehr wichtiger Punkt, den sie da ansprechen, weil es tatsächlich so ist, dass je gestresster wir sind, es umso schwieriger wird, die Dinge voneinander trennen zu können. Der Stress erscheint uns dann oftmals als ein riesiges Monster, das kaum noch zu bewältigen ist. Da ist es in einem ersten Schritt sehr, sehr hilfreich zu beginnen, es herunterzubrechen. Wenn ich es schaffe, dann kann ich das auch gut durch Selbstbeobachtung machen. Manche Menschen machen sich Notizen, während sie sich beobachten und achten darauf, welche Dinge ihnen zu schaffen machen. Es hilft oft auch sich mit Freunden oder Partnern zu unterhalten. Dann kann ich gemeinsam identifizieren, was sich in meinem Umfeld verändert hat und dann herausarbeiten, was mich gerade so stresst. Natürlich ist es oft sehr nützlich, auch mit externen Menschen zu arbeiten wie Psychologen, sozialen Beratern und Coaches. Was auch hilft , ist, wenn Sie zum Beispiel mit einer Freundin sprechen und sich gegenseitig zuhören. Wie geht es ihr derzeit? Es fällt uns meistens leichter, dieser Person dann zu helfen und zu sagen „na, ich glaube, dein Stress kommt von der Arbeit oder davon, dass du ständig Konflikte zu Hause hast“. Bei einem selbst ist es dann schon wieder schwieriger, aber wenn du jemand anderem helfen kannst, hast du auch schon den ersten Schritt gemacht in Richtung Selbsthilfe.

Tipps

Sie haben es ja gerade schon angesprochen: In Ihrem Training und den Coaching Sessions arbeiten Sie mit Achtsamkeitstraining und Mentaltechniken; Praktiken, die man ausgezeichnet in den Alltag integrieren kann. Haben Sie zum Schluss einen Tipp bzw. eine Übung, die unsere Zuhörer*innen ganz leicht zu Hause anwenden können?

Ja sehr, sehr gerne. Die Übung geht folgendermaßen: Sie stehen auf, heben die Hände gestreckt über den Kopf und atmen dabei ganz tief ein und mit der Ausatmung ziehen Sie Ihren Oberkörper nach vorne und lassen ihn nach unten fallen und atmen dabei ganz tief oder auch seufzend aus. Bei dieser Übung ist es auch schön, sich vorzustellen „was möchte ich ganz loslassen? Was fällt da von mir ab? Was brauch ich nicht mehr in meinem Leben?“ Das kann ich dann 3- bis 5-mal wiederholen. Und Sie werden merken, dass sie sich wirklich in kürzester Zeit besser fühlen.


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