Einstieg
Willkommen zurück auf unserem Home-and-Relax-Kanal. Ich hoffe, dass Sie alle gut geschlafen haben, denn darum soll es heute in dieser Folge gehen. Wir haben einen ganz besonderen Gast auf unserem Channel und zwar einen Experten im Bereich Schlaf. Herr Lebbing ist Arzt in der Klinik Buchinger Wilhelmi. Herr Lebbing, ich übergebe nun Ihnen das Wort und Sie können sich gerne selbst nochmal vorstellen.
Ja, vielen Dank, mein Name ist Marco Liebling, ich bin Facharzt für Allgemeinmedizin und Neurologie, trage zusätzlich die Zusatzbezeichnung “Naturheilverfahren” mit Ausbildung in der traditionellen europäischen Medizin, aber auch Studiengang der traditionell indische Medizin, Ayurveda und ich sag mal so, habe ein bisschen Einblicke gesammelt in der Berufswelt, auch in andere naturheilkundliche Behandlungszweige.
Schlaf-Basics
Dankeschön für die kurze Vorstellung. Ich würde sagen, wir fangen direkt an mit den Interview-Fragen. Wenn man zu viel Stress hat, dann leidet auch oft unser Schlaf darunter. Wieviel Schlaf ist denn gesund Ihrer Meinung nach?
Ja, wenn man sich das anschaut, kursieren im Moment so die 7 Stunden, als aber eher eine Durchschnittszahl aus den Studien, die gelaufen sind, die als gesund oder ausreichend gelten. Das kann man aber so generalisiert nicht sagen. Also es ist leider nicht so, dass Schlaf für uns ähnlich vergleichbar ist wie mit dem Akkuaufladen des Handys. Der Schlaf ist ein komplexer Vorgang mit einem zyklischen Verlauf verschiedener Schlafphasen, von denen wir eigentlich 4-5 Zyklen in der Nacht durchlaufen sollten. Und das Schlafbedürfnis selbst auch wiederum ist abhängig von verschiedenen Faktoren: Unserer inneren Uhr, dem Zustand der Erschöpfung beziehungsweise dem Abstand zum Aufwachen zum letzten Schlaf und unserem gesundheitlichen Zustand natürlich. Aber auch das Alter ist relevant – Babys und Kleinkinder schlafen mehr als wir Erwachsene.
Ja, und neben der Dauer ist auch die Qualität des Schlafs eigentlich ganz wichtig für den gesunden Schlaf. Ja bei zum Beispiel einem Schlafapnoesyndrom hat man vielleicht einen ausreichend langen und auch sehr tiefen Schlaf, der trotzdem nicht wirklich gesundheitsförderlich ist. Und auch der Schlaf zur falschen Zeit kann nicht so effizient sein, zum Beispiel tagsüber. Also letztlich muss man sagen, ist der Schlaf doch sehr individuell zu sehen. Ich würde sagen, irgendwas zwischen 6 bis 8 Stunden ist gesund oder sollte man anstreben. Und das subjektive Maß dafür ist eigentlich, wie ich mich beim Aufwachen fühle. Ich sollte mich frisch, ausgeruht fühlen und dieses Gefühl auch über den Tag haben. Also ausreichend leistungsfähig sein und nicht zu viel Tagesmüdigkeit zu verspüren, das ist so das Maß, dass der Schlaf, den ich habe, auch ideal ist.
Welche Prozesse finden denn beim Schlafen statt?
Während unser Körper tagsüber halt auf Aktivität ausgerichtet ist, ist die Nacht und der Schlaf wirklich für die Erholungsprozesse vorgesehen. Das betrifft zunächst einmal den generellen Körper, also hier ist ein Höchstmaß an Entspannung, was in verschiedenen Organ-Systemen ermöglicht, sich zu regenerieren. Ja, also die Muskeln regenerieren sich, die Zellerneuerung findet statt, schadhafte kaputte Zellen werden abgebaut, Haut-Haar-Wachstum ist verstärkt, die Wundheilung findet verstärkt oder besser in der Nacht bei gutem Schlaf statt. Auch unser Immunsystem wird aktiviert beziehungsweise unsere Abwehrkräfte nutzen die Nacht zur Reorganisation und wir bauen Stoffwechsel-Produkte oder Giftstoffe ab und leiten diese aus dem Körper. Letzteres ist ganz besonders auch wichtig für mich als Neurologen fürs zentrale Nervensystem für unser Gehirn. Also da wird insbesondere in der Nacht der Schlaf genutzt, um Abfallstoffe auszuscheiden, die Energiespeicher aufzufüllen, aber auch uns psychomental zu regenerieren.
Also, der Schlaf ist wichtig für die Gedächtnisbildung, hier ordnen, sortieren wir die Eindrücke des Tages, sortieren das nicht Nützliche aus, festigen aber die Erinnerungen, die für unser Überleben wichtig sind. Also wir verarbeiten die Informationen nach relevanten und nicht relevanten. Das zeigt sich auch, dass die Problemlösung verbessert ist durch einen gesunden Schlaf, also dieses “nochmal eine Nacht über ein Problem schlafen” macht durchaus Sinn.
Ja, auch das Lernen ist verbessert, wenn wir einen gesunden Schlaf haben. Auch das bezieht sich eher nicht ganz nur auf die Latein-Vokabeln, sondern mehr auf das, was wir fürs evolutionäre Weiterkommen brauchen. Aber letztlich findet nachts ein neuronales Resetting, also ein bisschen Defragmentierung unserer eigenen Festplatte statt, um das, was gebraucht wird, zu speichern und das, was eigentlich nur Platz verschwendet, wieder zu löschen und das Gehirn vorzubereiten und Platz zu haben für die Eindrücke des nächsten Tages. Aber psychisch da auch zu erholen und emotional die Dinge zu verarbeiten.
Was vielleicht auch interessant ist zu wissen – Ist es denn gleich, wie wenn wir auch mittags schlafen? Sie sind jetzt eher auf den Nacht-Schlaf eingegangen.
Also prinzipiell ist der Schlaf tagsüber nicht so effizient wie der in der Nacht. Also klar, finden auch da Prozesse statt. Vom Mittagsschlaf würde ich aber, gerade wenn man unter Schlafstörungen leidet, eher von abraten. Dieses komplexe Steuer-Netzwerk des Schlafes beinhaltet auch wirklich eine hormonelle Uhr, die tickt und die Zeit vorgibt seit dem letzten Aufwachen. Und ein zu langer Mittagsschlaf setzt diese Uhr zurück, ja sprich, dadurch kann es sein, dass ich abends, wenn ich dann schlafen sollte, gar nicht genug Schlafdruck aufgebaut habe, um dann in den Schlaf zu finden. Ja also, wenn man sich tagsüber müde fühlt oder erschöpft ist und eine Ruhephase braucht, sind eigentlich diese Power Naps, die man mal findet, von 15 bis maximal 30 Minuten nur zu empfehlen. Also kein 1- oder 2-stündlicher Mittagsschlaf.
Positive Effekte von Schlaf
Welche positiven Auswirkungen bringt genug Schlaf?
Aus der eben geschilderten Funktion zeigt sich halt also erstmal natürlich, wenn der Körper ausreichend Zeit zur Regeneration hat, bedeutet das natürlich, dass meine Körper-Funktionen erhalten werden, dass mein Körper gestärkt ist, also sprich, ich bin konzentrierter, aufmerksamer, ja, durchaus auch kreativer, wenn ich ausreichend geschlafen hab. Also für meine Leistungsfähigkeit, für meine mentale Leistungsfähigkeit. Es sst auch interessant, dass, wenn wir ausgeschlafen sind, wir als attraktiver für unsere Mitmenschen gelten. Es ist aber auch wichtig für die Abwehrkräfte, die sich reorganisieren in der Nacht. Das sorgt einfach dafür, dass wir gestärkt gegen Erkältungskrankheiten sind, aber natürlich auch gegenüber Herz-Kreislauf und Diabetes weniger anfällig sind.
Schlaf ist auch wichtig für ein gesundes Essen, also es findet im Schlaf Hormon-Ausschüttung statt, das sogenannte Leptin, was eigentlich ein Appetitzügler ist und dafür sorgt, dass wir weniger essen und bei Schlafmangel es auch dazu kommt, dass wir mehr dazu neigen, Snacks, ungesunde Snacks, ja eher Appetit beruhigende, besänftigenden Nahrungsmittel zu uns nehmen. Und viel wichtiger wäre auch zu fragen, was macht ein schlechter Schlaf? Neben dem Gewicht zeigt es halt schon, dass gerade Jugendliche zu Verhaltensauffälligkeiten, zu riskantem Verhalten neigen, aber auch für uns Erwachsene – wir fehleranfällig sind. Die Reaktionsbereitschaft reduziert ist, ja bis hinzu einer erhöhten Unfallgefahr durch Sekundenschlaf oder sonstige kurze Unaufmerksamkeit.
Heutzutage haben wir ja immer einen stressigen Alltag. Wie genau hilft uns denn Schlaf, um einen entspannteren Alltag zu haben?
Also da würde ich sagen, das ist auch hier wieder – wenn ich ausgeruht bin, ist man ausgeglichener, ja, man fühlt sich gut, man hat mehr Freude an den Dingen, was natürlich die Zufriedenheit erstmal erhöht. Gleichzeitig, wenn ich konzentriert arbeiten kann, zeigt es sich schon meist, dass man effektiver ist. Man ist schneller, man macht weniger Fehler, vielleicht auch auf der Arbeit, die wieder zu vermehrtem Stress führt. Ich vergesse vielleicht auch nicht so viel oder vergesse keine Kleinigkeiten, die mir dann nachts wieder den Schlaf rauben. Ja, also neben den eben genannten gesundheitlichen Auswirkungen sicherlich auch auf dieser Ebene viele Vorteile, ja einfach eine bessere Lebensqualität, eine bessere Lebensfreude.
Vielen Dank
Ja, das war auch schon meine letzte Frage. Danke, dass sie dabei waren und sich die Zeit genommen haben für das Interview. Bei den Zuhörern/Lesern bedanke ich mich fürs Einschalten und sage bis zum nächsten Mal.
Vielen Dank. Tschüss!