Einstieg
„Es braucht ein Dorf, um ein Kind zu erziehen.“ Dieses Zitat findet sich gleich zu Beginn auf Ihrer Website. Was ist die Bedeutung dieses Zitats und warum ist es besonders in der heutigen Gesellschaftsform so relevant?
Wir sind oft sehr allein mit unseren Kindern und denken gleichzeitig, dass wir es irgendwie „schaffen“ müssen. Das ist aber eine Illusion. Wir sind gar nicht dafür gemacht, das alles allein zu schaffen. Der Homo sapiens ist eine sogenannte „Kooperativ aufziehende Art”. Wir brauchen Unterstützung und zwar nicht nur innerhalb der Kleinfamilie, sondern auch darüber hinaus. In unserer Zeit ist dieses „Dorf“ oft eher eine Ansammlung von gewählten Menschen, also Tagespflege, Freunde, Bekannte, Kita oder Babysitter. Aber viele Eltern tun sich auch mit Nachbarn und Großeltern zusammen, einfach weil es immer einfacher wird, je mehr Menschen es sind.
Man hat in der heutigen Zeit leider meistens niemanden außer die eigene Familie, die mit dem Familienalltag hilft. Wie kann ich trotz eines kleineren Kreises und einer größeren Verantwortung Entspannung und Stressreduktion in meinem Alltag finden?
Wir können lernen, die kleinen Momente zu genießen. Wenn unser Gehirn im Stress ist, neigen wir dazu, jede freie Minute auch noch zu füllen. Wir denken, das müsse jetzt noch sein. Richtiger wäre es, diese kurzen Momente zu nutzen, um z.B. einmal am Fenster zu stehen und zu atmen, die Augen zu schließen und auf die Geräusche um mich herum zu lauschen, auf die Kinder zu schauen und mich zu freuen, dass sie da sind. Kleine Mini-Meditationen, die uns stoppen, wenn wir auf Autopilot laufen.
Familie
Sie haben einen Elternkompass geschrieben. Es ist eine Lektüre, die werdenden und frischgebackenen Eltern dabei hilft, im stressigen Alltag mit dem Neuzuwachs klarzukommen. Wenn Sie drei Tipps bzw. eine Erkenntnis aus Ihrem Buch aussuchen müssten, die Sie an potenziell Interessierte weitergeben wollen, welche wären es?
Tun Sie mit ihrem Kind niemals etwas, das sich nicht gut anfühlt oder was Sie nicht auch mit ihrem Partner oder Partnerin tun würden. Machen Sie sich weniger Sorgen – Kinder brauchen in erster Linie Liebe, alles andere kommt weit danach. Und lassen Sie sich nicht von außen einreden, man könnte ein Kind verwöhnen; die meisten Eltern in Deutschland sind weit, weit davon entfernt. Was unsere Kinder vor allem brauchen, sind Eltern, die immer bedingungslos für sie da sind, die prompt, empathisch und angemessen reagieren und signalisieren: Auf mich kannst du dich verlassen.
Sie bieten in Ihrem Projekt ein Weiterbildungsseminar nur für Väter an. Im Zuge dieses Seminars erkunden die Männer die Themen Empathie und Bildung, lernen die erfolgreiche Organisation des Familienalltags kennen und sprechen über die generelle Männerrolle innerhalb der Gesellschaft und des Familien-Ökosystems. Was hat Sie dazu bewogen, ein Beratungsseminar nur für Männer zu konzipieren? Welchen Schwierigkeiten aber auch welchen Chancen sieht sich der moderne Vater gegenüber?
Väter haben oft wenig kompetente Ansprechpartner und wir wollten dazu beitragen, ein Gleichgewicht zu schaffen zu dem Hilfesystem, das sich oft vor allem an weibliche Familienmitglieder wendet. Wer die Vater Rolle in der Familie ausfüllt, hat oft wenig positive Vorbilder und muss sich alles selbst erarbeiten. Gleichzeitig soll die Beziehung das ganz oben angesprochene Dorf ersetzen, wir sollen aber auch Liebende, Karrieremenschen, Ernährer und Freunde sein – das ist viel verlangt. Wir helfen, diese Bilder zu verstehen und selbst zu entscheiden, welcher Vater ich sein will.
Tipps
Haben Sie zum Schluss einen Ratschlag für alle Leser*innen, die sich gerade in der Familienplanung befinden, aber sich angesichts der kommenden Herausforderungen unsicher sind? Wie können werdende Eltern mit mehr Ruhe und Gelassenheit in ihre Zukunft schreiten?
Informieren Sie sich – und zwar zuerst über die Geburt und wie sie gebären wollen, denn die Geburt ist nicht nur der Startpunkt, sondern hat einen großen Einfluss auf die Zeit danach. Und investieren Sie Zeit und Energie, denn das wird ihr gesamtes weiteres Leben beeinflussen, auch wenn Sie sich jetzt noch gar nicht vorstellen können, wie stark. Wer am Anfang einiges richtig macht, kann hinterher dann gar nicht mehr so viel falsch machen. Wir dürfen aber Entscheidungen wie Geburt, Wochenbett und Kleinkindzeit nicht dem Zufall überlassen, sondern sollten uns informieren, unseren Weg finden und diesen dann auch gehen.