Einstieg
Willkommen zurück bei Home & Relax. Möchten Sie auch mal richtig entspannen können? Dann bleiben Sie gerne dran, denn heute habe ich die Yoga Expertin Frau Koll bei mir, die uns ganz viele Tipps zur richtigen Entspannung geben wird. Hallo Frau Koll, möchten Sie sich kurz selbst vorstellen?
Guten Tag! Ich freue mich sehr, dass ich heute hier sein darf. Gern zum Einstieg ein paar Worte zu mir: Ich bin Österreicherin und lebe seit über 10 Jahren mit meiner Familie in Berlin. Yoga praktiziere ich nun seit fast 20 Jahren. Lange Zeit habe ich Yoga als Hobby ausgeübt, bevor ich es zu meinem Beruf gemacht habe. Ursprünglich habe ich Wirtschaft studiert und war auch einige Jahre in diesem Bereich tätig, bis ich – das war kurz nach der Geburt meiner 2. Tochter – in einer Yogastunde festgestellt habe, dass ich Yoga gern noch viel mehr in mein Leben integrieren möchte. Also habe ich nach einer relativ kurzen Zeit des Nachdenkens eine Yoga-Lehrer-Ausbildung absolviert, meinen Job in der Wirtschaft an den Nagel gehängt und unterrichte jetzt seit einigen Jahren in Berlin Sanftes Yoga & Entspannung.
Beim Unterrichten und auch bei meiner eigenen Praxis habe ich ziemlich schnell bemerkt: Yoga macht nicht nur auf körperlicher Ebene was mit den Menschen, sondern kann auch psychisch wahnsinnig viel Kraft geben. Immer wieder habe ich das Feedback meiner KursteilnehmerInnen erhalten, dass sie sich auch emotional so viel besser fühlen, seit sie Yoga praktizieren. Dieser Aspekt des Yoga hat mich so fasziniert, dass ich mich noch etwas eingehender mit der menschlichen Psyche beschäftigen wollte. Mein Ziel war und ist es, meinen Yoga-Unterricht so zu gestalten, dass die Yogis körperlich und seelisch gestärkt aus dem Unterricht nachhause gehen. Ich habe daher auch noch meine Überprüfung als Heilpraktikerin für Psychotherapie in Berlin abgelegt und verbinde nun beide Elemente in meinem täglichen Unterricht.
Ich unterrichte „Sanftes Yoga und Entspannung“ – entweder in kleinen Gruppen oder auch in Einzelstunden, biete Kurse zu Stress-Management und psychischem & physischem Wohlbefinden auf allen Ebenen. Entspannung hat in meinen Kursen einen zentralen Stellenwert, da ich der Meinung bin, dass wir alle in unserem – oft sehr stressigen Alltag – Ruhepausen brauchen und diese für unser Wohlbefinden essenziell sind.
Yoga im Alltag
Danke für die kurze Vorstellung. Sie sind Yoga-Lehrerin und Heilpraktikerin für Psychotherapie. Wie schaffen Sie es, Menschen mehr Lebensfreude zu bringen?
Da gibt es zum Glück viele schöne Ansatzpunkte, die aber alle eines gemeinsam haben: Nicht ich bringe den Menschen Lebensfreude; Zusammen mit den Yogis, Yoginis & Klienten versuche ich Wege zu finden, wie die Menschen, die zu mir kommen, selber (wieder) mehr Lebensfreude für sich finden können.
Eine sehr schöne Möglichkeit ist zu Beispiel, wenn wir wieder lernen, uns bewusst etwas Zeit für uns selbst zu nehmen. Das ist etwas, was ich den Menschen gern mitgeben möchte: Du darfst Dir auch mal Zeit für Dich nehmen! Du darfst Dir auch mal erlauben, Dich um Dich zu kümmern! Das bedeutet zum Beispiel, dass wir in unseren Alltag immer wieder Momente einbauen, in denen wir ganz bewusst Dinge tun, die uns Spaß machen und Freude bereiten. Das klingt zwar banal, aber ich merke, dass das nicht so einfach ist. Ganz oft passiert es uns – insbesondere den Müttern unter uns – dass wir uns sehr viel um andere kümmern und dabei sehr wenig Zeit bleibt für uns selbst. Aber auch ohne Kinder ist der Alltag oft sehr fordernd. Viele von uns haben ein schlechtes Gewissen, wenn sie sich einen Moment Zeit für sich selbst nehmen, weil sie das Gefühl haben, sie könnten in dem Moment ja auch „was Anderes, Wichtigeres“ tun oder „mehr leisten“. So oft geht es in unserer Gesellschaft um Leistung, dass wir uns oft gar nicht mehr trauen, mal nichts zu „leisten“!
Ich versuche den Menschen, die zu mir kommen, mitzugeben, dass es nicht nur um Leistung geht. Es ist in unserer heutigen Gesellschaft leider immer noch so, dass wir uns ganz stark über Leistung definieren. So nach dem Motto: Je mehr du leistest, je mehr du arbeitest, desto mehr bist du wert. Aber wer bestimmt den Wert eines Menschen? Das tun wir selbst! Deswegen ist es mir wirklich wichtig, zu vermitteln: „Du bist wertvoll, einfach weil du bist! Egal wieviel du arbeitest, egal ob am Ende des Tages deine To-Do Liste vollkommen abgearbeitet ist oder nicht – was sie wahrscheinlich nie sein wird… Du bist wertvoll, so wie du bist und du kannst dir guten Gewissens auch mal Zeit für dich nehmen!“ Das ist ein Lernprozess und oft gar nicht so einfach für sich selbst anzunehmen, aber immens wichtig und der erste Schritt um nicht in eine Stress-Spirale hineinzufallen, aus der es oft schwer ist wieder rauszukommen.
Entspannung
Unser Ziel ist es, herauszufinden, wie Experten Entspannung im Alltag finden. Spielt Yoga für Sie dabei eine Rolle?
Ja, Yoga spielt eine große Rolle für mich im Alltag – nicht nur beruflich, sondern auch für mich privat. Viele Yogis haben eine festgesetzte Uhrzeit, an der sie jeden Tag Yoga üben. Das habe ich auch ausprobiert, für mich aber herausgefunden, dass dies für mich aktuell nicht so gut machbar ist. Ich habe zwei kleine Kinder und manchmal startet der Tag nicht so ganz so, wie ich das geplant habe. Manchmal sind die Kinder früher wach, als mein Wecker klingelt für meine Yoga-Praxis. Das hat mich eine Weile wiederum in Stress versetzt, weil ich dachte, „ich will aber jetzt Yoga üben“. Zum Glück habe ich relativ rasch für mich erkannt, dass es keinen Sinn macht, wenn ich mir Dinge vornehme (in diesem Fall: Meine morgendliche Yogapraxis), die in meinem Alltag offensichtlich aktuell keinen Platz finden. Ziele sollen ja realistisch gewählt sein…
Mein Trick ist also jetzt der, mehrmals am Tag kürzere Sequenzen Yoga zu üben, und zwar immer dann, wenn es mir gerade reinpasst. Dazu habe ich meine Yoga-Matte zuhause so platziert, dass ich immer wieder mal drüber stolpere. Wenn ich – wie heute zum Beispiel – im Home-Office arbeite, dann liegt meine Yoga-Matte direkt hinter mir und da stolpere ich dann jedes Mal drüber, wenn ich mir einen Tee hole, ins Bad muss oder aus einem anderen Grund mal aufstehe. So habe ich mehrmals am Tag immer mal wieder einen Moment, wo ich mal runterkommen kann; wo ich meine Gedanken fokussieren und zwischendurch an nichts denke, als an das, was ich gerade tue.
Umgang mit Stress
Um etwas näher auf den Stress einzugehen: Was ist denn Stress überhaupt und wie wirkt er sich auf unsere Gesundheit aus?
Grundsätzlich ist Stress nichts Schlechtes. Es ist wichtig zu verstehen: Die Stress-Reaktion unseres Körpers ist im Grunde eine Schutzfunktion, die dazu da ist, dass unser Körper sich in Belastungssituationen oder in Gefahrensituationen auf diese Situation anpassen kann. Wenn wir unter Stress stehen, gibt unser Körper Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol aus der Nebennierenrinde ins Blut ab. Dann steigt unser Blutzucker-Spiegel, Herzfrequenz und Puls steigen, unser Atem wird flacher aber schneller, die Muskeln werden mit Sauerstoff versorgt, unsere Verdauung hingegen pausiert. Unser Unser komplexes Denken ist so gut wie ausgeschaltet, aber unsere Sinne sind hellwach! Der ganze Organismus konzentriert sich auf die lebensnotwendigen Körperfunktionen – alles Andere wird ausgeblendet. → Wir sind bereit zum Kampf oder zur Flucht! Wenn wir an den Urzeit-Menschen vorstellen, der in einem solchen Moment einem Säbelzahntiger gegenübersteht, dann wird klar: Diese unfreiwillige, körperliche Reaktion hat uns als Wesen unzählige Male das Überleben gesichert.
Das Problem heute ist, dass wir im Normalfall nicht dem Säbelzahn-Tiger gegenüberstehen (also nicht in lebensbedrohlichen Situationen stecken), sondern mit der Excel-Tabelle kämpfen oder mit unserer täglichen Todo-Liste. Und dieser Kampf hört oft nicht auf, denn die Todo-Liste ist ja nie komplett abgearbeitet! Unser Stress-System kommt also nicht zur Ruhe, sondern steht unter Dauer-Spannung. Die Auswirkungen sind sehr vielfältig (psychisch und physisch) und gehen von Verspannungen, Kopfschmerzen, Schlafprobleme, Herzrasen, Magen-Problemen bis zu ernsthaften Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Burn-Out, Depression,… Umso deutlicher wird auch hier wieder, wie wichtig es ist, bewusste Ruhepausen im Alltag einzubauen… und das funktioniert ganz wunderbar auf der Yogamatte.
Kann denn jeder von uns Yoga machen und auch jedes Element davon?
Ja, natürlich kann jeder Yoga üben! Vielleicht nicht jedes Element davon – das ist aber auch gar nicht notwendig! Wichtig ist meines Erachtens, dass sich die Yoga-Praxis an den Menschen anpasst wird nicht umgekehrt. Das heißt: Jemand, der an der einen oder anderen Stelle an körperlichen oder psychischen Einschränkungen leidet, ist vielleicht erstmal in einer Einzelstunde oder in einer kleinen individuellen Gruppe besser aufgehoben als in einer Gruppe mit vierzig anderen überdurchschnittlich sportlichen Yogis – deren Bedürfnisse sind einfach unterschiedlich. Jeder soll das Yoga bekommen, das er / sie braucht. Das ist mir ein Anliegen. Die Welt des Yoga ist so vielfältig, dass hier wirklich für Jeden was dabei ist. Insofern kann ich sagen: Ja! Jeder kann Yoga üben und ich bin fest davon überzeugt, dass Yoga auch Jedem guttut.